Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
Hauptspeise werden mit demselben Besteck vertilgt, aber wer sich daran stört, der möge bitte umgehend heimfahren.
Mamma in der Küche, der Sohn bedient, der Wein kommt in großen Krügen auf den Tisch: So muss Italien doch sein. Die Ironie
bei der ganzen Sache ist, dass Giuliano ein großer Deutschland-Fan ist. So, wie wir an den Gardasee oder in die Toskana fahren,
macht Giuliano Urlaub in Bayern oder im Ruhrgebiet, etwa in Dortmund, wo er Freunde hat und auch gern ins Fußballstadion geht.
Kreuz und quer fährt er außerdem durch Bayern und kauft seltene Bierspezialitäten ein, so, wie wir Deutschen die Chiantigiana
rauf- und runterfahren, die bezaubernde Landstraße zwischen Florenz und Siena, wo links und rechts Winzer gnadenlos überteuerten
Wein verkaufen. Giuliano wäre sogar lieber ein Österreicher oder ein Deutscher, und auch das kann man nachvollziehen, sieht
man doch in Italien nicht wenige Deutsche, die sich umgekehrt darum bemühen, einen möglichst italienischen Eindruck zu hinterlassen.
Giuliano ist klasse, und seine Mamma ist es auch. Folgendes müssen Sie unbedingt probieren:
Caramelle
, eine Spezialität des Hauses, natürlich selbst gemacht.
Caramelle
heißen wörtlich Bonbons; es sind Teigtaschen, gefüllt mit |55| geräuchertem Käse, darüber liegen Birnenscheiben und geheimnisvoller Feenstaub, der einen vor Glück seufzen lässt.
Zum Abschied gibt es wieder einen Händedruck, der einen an seine eigene körperliche Unzulänglichkeit erinnert. Man verspricht,
in München nach neuen und interessanten Biersorten Ausschau zu halten. Und diskutiert im Auto noch lange, woraus der Feenstaub
über den
Caramelle
bestehen mag.
PS: Gerade hat Giuliano eine Zweigstelle in Grado eröffnet, eine kleine Bar an der Piazza Duca d’Aosta, die Wein, Bier und
kleinere Speisen serviert, wenn auch keine
Caramelle
. Aber ich werde ihn noch dahingehend bearbeiten.
|56| My Personal Shopper
Minnie hat sich neuerdings einem Projekt verschrieben, das da lautet: »Bring dem Schwiegersohn aus Deutschland mal ein bisschen
Stil bei.« Und das macht sie, indem sie Fakten schafft. Seit ein paar Monaten kauft sie für mich ein (und legt mir die Rechnungen
hin) – einfach alles, vom Unterhemd bis zum Wintermantel. Das könnte einigermaßen bequem sein, aber ich muss mich doch erst
mal dran gewöhnen. Sie nennt sich selber »Personal Shopper« und hat richtig Lust daran, die Märkte und Boutiquen nach Sachen
für mich zu durchsuchen.
Minnies Engagement bedeutet, dass ich neuerdings Pullover in Orange, Gelb und Violett trage, weil das nach Minnies Meinung
»die Farben dieses Jahres sind«. Manchmal soll ich auch eine weiße Hose und ein weißes Poloshirt anziehen und fühle mich dann
nicht wie ein Yachtkapitän, sondern wie ein Eisverkäufer. Ich entkomme der Sache nicht, weil am Anfang der ganzen Geschichte
eine große Lüge stand: Sie schenkte mir zu Weihnachten einen fliederfarbenen Pullunder, den ich über den grünen Klee lobte,
während ich insgeheim über eine besonders dunkle Ecke nachdachte, in der ich dieses Ding lange genug verstecken konnte, bis
die Altkleidersammlung sich der Sache |57| annehmen würde. Ich war zu euphorisch gewesen. Seitdem hält sich Minnie für unverzichtbar.
Preis und Herkunft spielen für Minnie übrigens keine Rolle – sie kauft mir eine 9-Euro -Cordhose (knallorange) vom Chinesenstand ebenso wie einen Kaschmirpullover für 149 Euro (rosa mit weißen Streifen) aus der Boutique in der Fußgängerzone.
Weil meine gesamte schlicht-erdfarbene Garderobe rätselhafterweise nach und nach aus dem Kleiderschrank verschwindet (ich
vermute, Minnie hat da ihre Finger im Spiel, kann es ihr aber bis jetzt noch nicht nachweisen), tauche ich auch bei meinen
Münchner Büroterminen manchmal so farbenfroh auf, dass unser Grafiker daraus schon Inspiration für seine Zeitschriftenlayouts
gezogen hat. Wundern Sie sich also nicht, wenn ›Golf Journal‹ und ›Segel Journal‹ in diesen Zeiten aussehen wie Kanarienvögel
bei der Balz.
|58| Do you speak, äh, Dingsbums?
Italiener sprechen wahrscheinlich das schlechteste Englisch der Welt, zumindest aber das schlechteste Englisch Europas. Franzosen
und Spanier wären bestimmt noch schlechter, aber die entziehen sich jeder Beurteilung, weil sie sich ja kategorisch weigern,
selbst mit Fremden eine andere Sprache als Französisch oder Spanisch zu sprechen. Am schlimmsten war es bei den Olympischen
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