Meine Schwiegermutter trinkt - Roman
Malinconico‹),
der Bürgermeister,
meine spezielle Freundin Dalia (die aus gegebenem Anlass anmerkt, hie und da hätte das Plädoyer doch ein wenig gekürzt gehört),
der Hausverwalter (aber um mich an meine Beitragsrate für die Arbeiten am Aufzug zu erinnern),
eine Dame, die sich als ›Tante‹ Soundso ausgibt,
Alf, der sich entschuldigt (was mich so rührt, dass ich mich am Ende ganz schuldig fühle),
und zuletzt noch ein völlig enthemmter Rüpel, der mich anonym endlos beschimpft.
Außerdem habe ich mir bestimmt ein Dutzend Kontaktdaten von irgendwelchen Journalisten in lokalen und überregionalen Redaktionen notiert (obwohl ich mir nicht sicher bin, ob ich Lust habe, sie zurückzurufen). Sie teilen mir samt und sonders mit, wie furchtbar dringend ich sie zu jeder Tageszeit bitte kontaktieren soll (›hä?‹, denke ich, ›geht’s noch? Sollen die doch mich zurückrufen, oder was?!‹).
Der Einzige, den ich schließlich relativ zügig zurückrufe, ist Paolo Di Stefano, dessen Kolumne in ›Io Donna‹, dem Wochenendmagazin des ›Corriere‹, ich eifrig mitverfolge (natürlich auch aus einer gewissen intellektuellen Eitelkeit heraus – immerhin orientiert sich seine Kolumne an dem berühmten Fragebogen von Proust).
Ich habe meine Antworten bereits parat (schließlich war es schon immer mein Wunsch, eines Tages den Proustschen Fragebogen zu beantworten), und als Di Stefano mich fragt, ob ich zehn Minuten für ihn hätte, sage ich natürlich sofort ja, ohne erst so zu tun, als müsste ich noch überlegen.
Auch Nives hat sich gemeldet (in diesem Fall habe ich das Gespräch selbst entgegengenommen). Ein langwieriges, dröges und widerlich verlogenes Gespräch, das ich nachfolgend wiedergebe (kursiv gesetzt ist jeweils das, was ich eigentlich lieber gesagt hätte):
»Vincenzo, ich bin’s.«
»Nives, wie geht’s?«
(Sag mal, wo lebst du eigentlich? Glaubst du allen Ernstes, dass du dich vorstellen musst? Ich hab dich doch längst an der Nummer erkannt. Und trotzdem abgenommen. Mach aber trotzdem dalli, ich hab Paolo Mieli auf der anderen Leitung.)
»Ich dachte, du würdest vielleicht nicht mit mir reden wollen.«
»Warum das denn?«
(Richtig gedacht. Andererseits: Wenn ich nett bin und kooperativ, erlässt du mir ja vielleicht für zwei, drei Monate die Unterhaltszahlung.)
»Die Kinder haben mir gesagt, du hättest festgestellt, dass ich nicht da war.«
»Hab ich, stimmt. Aber mach dir keine Sorgen. Ich kann das sogar irgendwo verstehen.«
(Wie peinlich – findest du nicht? Du brauchst sogar Nachhilfe von deinen eigenen Kindern, um zu merken, dass du dich danebenbenommen hast, dazu noch aus reiner Wichtigtuerei? Lass mich raten – es hat dich bestimmt gewurmt, dass ausnahmsweise mal nicht du im Scheinwerferlicht gestanden hast, stimmt’s?)
»Das war wirklich zu heftig für mich. Ich wäre dir vermutlich völlig aufgelöst um den Hals gefallen und hätte an deiner Brust gleich losgeheult, das schwör ich dir bei unseren Kindern.«
(Bei der Schlussformel musste ich mich erst mal am Sack kratzen, bevor ich ihr antwortete): »Wenn dich das tröstet: ich hätte wahrscheinlich auch weinen müssen, wenn du da mitten in der Gefahrenzone gefangen gewesen wärst.«
(Jaja, was du nicht sagst. Du und weinen? Das kannst du deinem Friseur erzählen. Denk doch mal an Weihnachten 1996: du wolltest im Wohnzimmer einen Nagel einschlagen, um ein – im Übrigen potthässliches – Stillleben von einer deiner Freundinnen aufzuhängen, die auf Kunst machen. Und dabei hast du dir mit voller Wucht den Hammer auf den linken Daumen gehauen – aber nicht mal das hat dir auch nur eine Träne in die Augen getrieben.)
An diesem Punkt hat sie eine kurze Pause eingelegt und die Nase hochgezogen (was für eine erbärmliche Nummer! Damit hat sie sich wirklich mit Bravour in die Vorauswahl für die Goldene Zitrone gemogelt); dann sprach sie mit melodramatischer Emphase meinen Namen aus, als ob ich mich auf eine ungeheuerliche Enthüllung gefasst machten müsste, die jeden Moment mein Leben von Grund auf verändern würde.
»Vincenzo.«
(Was ist denn jetzt schon wieder, verdammt?)
»Ja, Nives?«
»Der Grund, weshalb …«
(Meine Güte, Nives, wie lange dauert dieses scheinheilige Theater eigentlich noch?, Was mir an dir übrigens auch noch mächtig auf den Keks geht ist diese Unart, Sätze zu verhackstücken, um es möglichst spannend zu machen. Wir sind hier doch nicht am Theater – jetzt spuck’s endlich aus,
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