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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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sich endlich nicht mehr drum zu kümmern), dann ist das der Sex.
    Ohne dass wir jetzt einen auf supercool machen, können wir doch eines sagen: Sex ist immer ein Ereignis. Er verhält sich zum Leben wie im ersten Newtonschen Gesetz die von außen einwirkende Kraft zum Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung. Er verändert den Zustand eines Körpers (na ja, im besten Fall sogar von zweien), er bringt ihn durcheinander und regeneriert ihn. Vor allem aber macht er ihn fröhlicher. (Was vielleicht der Grund dafür ist, dass so dermaßen viele miesepetrige Gestalten unterwegs sind).
    Eine Grundregel im zwischenmenschlichen Umgang lautet: Leute, die nicht vögeln, sind übellaunig, ungenießbar und haben auf alle einen Brass (sie schnauzen dich sogar an, wenn du sie nur nach der Uhrzeit fragst). Was meiner Meinung nach aber nicht am Sex als solchem liegt, sondern an dem fehlenden Effekt, den er erzeugt: Nicht vögelnde Leute bleiben durch ihr Nicht-Vögeln emotional immer gleich, können sich mit dieser eintönigen Gleichheit aber nur schlecht abfinden. In Beziehungen zu anderen mag Beständigkeit zwar ein Plus sein, aber in Anwendung auf die eigene Person – seien wir mal ehrlich – ist sie wirklich nervig. Nicht zufällig ist der Sex, obwohl man ihn immer (oder zumindest meistens) auf die gleiche Art macht, jedes Mal wieder anders. Ficks lassen sich nicht eins zu eins wiederholen. Du kannst sie besser oder schlechter machen (auch die missratenen sind immer wieder anders), aber du wirst nie zwei identische hinkriegen.
    Übrigens gibt es auch eine Menge Leute, die überhaupt gar nicht vögeln. Eine Riesenmenge sogar. Möglicherweise die Mehrheit. Was mir ein weiteres hervorragendes Argument zur Widerlegung der Theorie eines Sexuallebens zu sein scheint. In dem Fall wäre es nämlich ein Privileg einiger weniger, Sex zu haben. Das Schöne am Leben ist aber doch, dass alle ein Recht darauf haben.
    Da ist also nicht viel zu wollen: um an der Gleichheit mit sich selbst was zu verändern, braucht man die Einwirkung der äußeren sexuellen Kraft, die auch unter organischem Gesichtspunkt eine buchstäblich newtonsche Funktionalität hat. So ist das unmittelbare und offensichtlichste Symptom sexuellen Begehrens – vor allem des männlichen – der Verlust des Ruhezustands. (Klar, auch die Frauen haben ihre Systeme, um sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Und – das muss einfach mal gesagt werden: Es ist einfach super, wenn sie die Ruhe verlieren. Weil man kurz darauf ja sowieso zur Bewegung übergeht, die ruckartig statt gleichförmig ist, was aber jedenfalls unglaublich gut kommt.)
    Das alles habe ich meiner Freundin beim Verlassen des Drogeriemarktes vorgetragen, weil ich die Sorge hatte, dass ich all die Geistesblitze wieder vergessen könnte, wenn ich sie nicht umgehend laut wiederholte.
    Sie hörte mir bis zum Ende zu und nickte an den neuralgischen Punkten zustimmend.
    Zuletzt sagte sie mir, es sei ihr ein Rätsel, wie ich imstande gewesen sei, solche Überlegungen anzustellen, während meine Exfrau sich in aller Öffentlichkeit so seltsam verhielt. Und ihrem Eindruck nach hätte ich gut daran getan, mich von ihr zu trennen, denn zweifellos sei Nives eine richtig blöde Kuh.
    An diesem Punkt meiner Erinnerung wurde ich plötzlich sehr traurig, weil mir auffiel, dass Assunta mit ihrem Entschluss, Nives in einer heiklen Phase ihrer Erkrankung nicht sehen zu wollen, faktisch ganz ähnlich geurteilt hatte wie meine Freundin.
    So viele gute Gründe jemand auch haben mag, jemand anderen, den er sein Leben lang kennt, nicht sehen zu wollen, wie in diesem Fall eine Mutter ihre Tochter, irgendwas geht in der Argumentation dann doch nicht ganz auf. (Und wenn es nur irgendein Kleinscheiß ist. Kleinscheiß, der das Leben aller Beteiligten traurig macht.)

Beurteile einen Amateurfilm nie nach
    der Begabung der Hauptdarsteller
    Mary Stracqualursos Garderobe für die Sonderausgabe, in der ich mitspiele: ein leichtes Wollkostüm in Hellbraun; eine gemusterte Bluse mit exakt zwischen den Titten unansehnlich aufklaffender Knopfleiste (in der Öffnung lässt sich sogar von hier aus ein Hauch von Spitze erahnen); dazu ein gefälschtes Hermès-Seidentuch, das sie wie eine Krawatte gebunden hat. Irgendwie sieht sie aus, als hätte sie schon zwei Stunden Standleitung aus Bagdad hinter sich – oder als sei sie eben richtig ungepflegt: die Haare verschnitten und wieder nachgewachsen; Perlenohrringe; allzu jugendliche

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