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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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nicht mehr.
    Lass mich noch eines hinzufügen: Diese gerade angesprochenen symbolischen sechs Tage sind so was wie die 15 Minuten Berühmtheit, über die Andy Warhol theoretisiert hat.
    Wenn es dir in jungen Jahren passiert, ist das einfach großartig. In der Zeit, in der du völlig unerklärlicherweise vom Zustand halber Bedeutungslosigkeit in einen der allgemeinen Bewunderung wechselst und in deinem Umfeld plötzlich zu jemandem wirst, ohne dass du irgendwas dafür tun musstest.
    Das passiert dann, wenn die Mädchen plötzlich mitkriegen, dass es dich gibt (und dass du ganz passabel aussiehst natürlich). Und dann bricht zwischen ihnen dieses unverständliche Phänomen des Nacheiferns und Konkurrierens aus, weshalb sie dir gleich zu viert oder fünft nachlaufen. Es reicht eine aus, die Interesse an dir zeigt, und wie in einer Kettenreaktion tun es ihr die andern nach. Und auf einmal bist du schwer angesagt. (Sogar bei deinen männlichen Freunden; auch solchen, die du schon eine Weile aus dem Blick verloren hattest. Mag sein, dass an ihrem Interesse auch die Gunst, die du dir beim weiblichen Geschlecht erworben hast, mitursächlich ist, jedenfalls erkundigen sie sich haufenweise nach dir.)
    Du gehst zu einer Menge Feten.
    Alle lachen mit dir, egal was du sagst.
    Die Leute wollen wissen, wo du deine Schuhe gekauft hast und das ausgeleierte orangefarbene T-Shirt, das du schon seit sieben Jahren trägst.
    Und die Tussi, die dich vor einem Monat in die Wüste geschickt hat und dich behandelt hat wie einen Fußabtreter, erzählt in der Gegend herum (vor allem seit du mit der bildhübschen Renata Falci zusammen bist), dass sie einfach nicht versteht, wieso es aus sein soll zwischen euch beiden, wo sie dich doch so geliebt hat. (Und sie erwartet, dass du jetzt, wo sie dir diese Botschaft gesendet hat, wieder zu ihr zurückkehrst. Allerdings erwartet sie auch, dass du das umgehend tust – auf dem Boden vor dir kriechen und dich um eine zweite Chance bitten, wie du das bei ihr ja ein Dutzend Mal gemacht hast … das würde ihr dann nämlich doch zu weit gehen.)
    In diesen wunderbaren Tagen, in denen dir alles zu gelingen scheint, hast du das aber nicht nötig und rufst sie selbstverständlich nicht an. (Erstens weil du mit Renata Falci zusammen bist und weil es zweitens ja wohl das Letzte wäre, auf Zuruf spuren zu müssen.)
    Und so kommt es, dass sie dich ein paar Tage später ihrerseits anruft (am frühen Nachmittag: das ist ihre bevorzugte Zeit, vielleicht, weil sie von der Schläfrigkeit nach dem Essen profitieren will) und dich fragt, warum du sie angerufen hast.
    Du antwortest: ›Aber ich hab dich doch gar nicht angerufen‹; und sie flüchtet sich in ein befremdetes Schweigen, als ob sie gar nicht wüsste, wovon du redest (das kann sie richtig gut, so einen Eindruck aufrichtiger Verwirrung vermitteln), dann antwortet sie: ›Entschuldige mal eine Sekunde: meine Schwester hat mir gesagt, du hättest gestern Abend angerufen und nach mir gefragt, ich dachte, du wolltest mir vielleicht was sagen.‹
    Und darauf du: ›Deine Schwester?‹
    Sie antwortet nicht, um deutlich zu machen, dass du eine rhetorische Frage gestellt hast, dann lenkt sie (leicht skeptisch) ein: ›Na gut. Entschuldige, dann hat meine Schwester da wohl was nicht richtig verstanden.‹
    Und du: ›Aber warum hat deine Schwester verstanden, dass ich dran war, wenn ich gar nicht dran war? Hat der, der dran war, etwa gesagt, er heißt wie ich?‹
    Und sie (nachdem sie bis fünf gezählt hat zur Beruhigung): ›Willst du vielleicht sagen, ich hätte alles erfunden, bloß damit ich einen Grund habe, dich anzurufen?‹
    Du denkst: ›Das gibt’s ja nicht!‹, antwortest aber: ›Ich sag nur, dass ich dich nicht angerufen habe, das ist alles.‹
    Und jetzt zieht sie den Trumpf aus dem Ärmel beziehungsweise zaubert den Kronzeugen herbei, der sie nach ihrer schwachsinnigen Strategie endgültig über jeden Verdacht erhaben erscheinen lassen soll und flötet wörtlich (im Ton von Jetzt-bin-ich-mal-gespannt-auf-deine-Antwort): ›Hör mal, meine Schwester ist hier, direkt neben mir. Soll ich sie dir geben, dann sagt sie es dir selber?‹
    Und du (kurz vorm Ausrasten): ›Warum sollte ich mit deiner Schwester reden? Aus was für einem verdammten Grund? Damit sie mich davon überzeugt, dass ich bei dir angerufen habe, obwohl ich nicht angerufen habe?‹
    Und sie: ›Okay okay, ich hab verstanden, du brauchst nicht zu schreien, es wird ein Missverständnis gewesen

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