Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
gegen Herzkrankheiten, Alzheimer und Arthritis soll der Stoff gut sein.
Das Wort »French Paradox«, praktischerweise von Dr. Serge Renaud von der Universität Bordeaux kreiert, müsste »Mediterranean Paradox« heißen, denn was für die langlebigen Franzosen gilt, gilt auch für die Italiener. Beide Völker essen erstens generell frischere, vitaminreichere Produkte statt Mikrowellengerichte und Fast Food. Sehr oft, statistisch gesehen etwa dreimal die Woche, kommt Fisch auf den Tisch. Kleinere Portionen und langsames Essen sowie der ausgeprägte Genussgedanke dürften sich ebenfalls günstig auf die Altersstatistik auswirken. Auch wird weniger Zucker konsumiert; Snacks sind so gut wie unbekannt.
Die Unesco erklärte die Mittelmeer-Diät im November 2010 gar zum Weltkulturerbe. Also: Essen und trinken wir ab sofort wie die Italiener. Wir werden 0,4 Jahre älter und haben auch noch mehr Spaß dabei.
Emilia-Romagna I
Im Reich der Mitte
E gal, was Sie soeben über Schlankheit gelesen haben: Wer durch Bolognas Straßen geht, nimmt automatisch zu. Die Hauptstadt der Emilia-Romagna ist wie ihre Region die Hochburg des gefüllten und verarbeiteten Nudelteigs, und das wird an jeder Ecke deutlich. Vollgestopfte Feinkostgeschäfte unter Arkaden im Quadrilatero, einem Teil der Altstadt, deren Ursprünge noch bis in die Römerzeit reichen, brachten Bologna den Beinamen »La Grassa« ein, was übertragen »Die Wohlhabende« heißt, wortwörtlich aber »Die Fette«. Überall baumeln Würste und Schinken von der Decke, liegen aufgeschnittene Salamis auf dem Tresen, warten Berge von Tortellini in riesigen Schalen. Hunger litten die Bologneser selten in ihrer Geschichte.
Natürlich verzehrte ich in der hübschen Trattoria »Anna Maria« pflichtbewusst einen Teller Bandnudeln mit Bolognese, aber ganz ehrlich, ausgerechnet dieses nach Bologna benannte Gericht ist kein integraler Bestandteil der italienischen Küche, wie ich schon öfter erfahren musste. Es ist ein ausgesprochenes Kindergericht, über das man etwas die Nase rümpft, wenn man es als Erwachsener verlangt. Schon mit der Benennung »Bolognese« verrät man sich als Nordlicht, wie mir mein Schwager mehr als einmal versichert hat – auf den Speisekarten in Bologna, und natürlich auch hier bei »Anna Maria«, heißt es verschämt al ragù . (Zu meinem ewigen Triumph sei darauf hingewiesen, dass auf den italienischen Fertigpastasoßen ebenfalls der Name »Bolognese« steht – oder ist das am Ende eher ein schlechtes Zeichen?) Ich liebe Bolognese-Soße, und ich kann sogar eine selbstgemachte Bolognese-Soße relativ respektabel herzaubern. Und doch fehlen der Pasta bolognese höhere Weihen; sie entspricht dem deutschen Gericht Kartoffelbrei mit Würstchen. Sehr lecker, aber nicht gerade das, was man in einem Restaurant bestellt, wenn man sich schon selbst die Schuhe zubinden kann. Erstaunlich ist, dass viel simplere Gerichte, etwa die Spaghetti all’arrabiata. (Olivenöl, Knoblauch, Peperoncino) es längst in die Hochküche geschafft haben. Mein Verdacht: Italien will mir damit nur eins auswischen, weil es das einzige Pasta-Gericht ist, bei dem ich mir zutraue, zubereitungsmäßig mithalten zu können.
Paolo, 44 Jahre alt, stammt aus der Emilia-Romagna. Er ist der Ehemann der Cousine meiner Frau, gehört also zu meinem erweiterten italienischen Familienkreis. Er
ist ein Mann, von dem man (ich) sich einiges abschauen kann. Er repariert sein Auto selbst. Er angelt und kann den Fisch auch ausnehmen und anschließend zubereiten. Er raucht Zigarre, ohne dabei wie ein Idiot auszusehen. Er kocht jeden Abend für seine Frau (die Cousine meiner Frau) und seine Tochter (die, äh, Großnichte meiner Frau), ohne eine Show daraus zu machen. Er kennt sich mit Weinen aus, ohne dass er anderen mit seinem Wissen auf die Nerven geht. Er hat dicke Oberarme, ohne dass er dafür ein Zweijahres-Abonnement eines Fitnessstudios braucht. Würde ich jemals, Gott behüte, jemanden zum Ausweinen brauchen – an Paolos breiter Schulter hätte selbst mein Quadratschädel Platz. Er schließt Freundschaften mit allen, ohne dabei anbiedernd zu sein. Er kann Kellnern in aller Offenheit seine Meinung geigen, ohne sie herunterzuputzen. Und er kennt sich sehr, sehr gut aus, ist außerdem befreundet mit vielen Küchenchefs der Region. Natürlich hat auch Supermann Paolo seine Schwachstelle: Er ist zuckerkrank, muss mehrmals täglich Insulin spritzen und auf jegliche Süßigkeit verzichten.
Jedenfalls sagt
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