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Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Titel: Meine Suche nach der besten Pasta der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maiwald Stefan
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Paolo: Für Pasta ripiena muss man in die Berge reisen. Klar, Eierteig und Fisch und Meer und Wärme, das passt nicht so recht. Pasta ripiena oder generell Pasta all‘uovo ist daher eher im Norden als im Süden zu finden, eher in den Bergen als im flachen Küstenland, eher im Kühlen als im Heißen. Paolo ließ den Namen Porretta Terme fallen, und ich machte mich auf den Weg. Der Ort liegt in der Provinz Bologna, und schon die Römer nutzten ihn als Kurbad, was wirklich erstaunlich ist, denn selbst heute, mit einem 140-PS-Volvo, ist die Anfahrt
über unbefestigte Apenninen-Wege, die bis in den Frühsommer verschneit sein können, sehr, sehr mühsam.
    Im Restaurant »Helvetia« in der Ortsmitte, welche einen Park mit den üblichen Tunichtguten sowie eine geschmacklose manierierte Statue enthält, soll ein Zauberkoch namens Villiam Campani arbeiten, der nicht nur einen exotischen Buchstaben in seinem Vornamen trägt, sondern auch wunderbare Pasta verarbeitet, und das Restaurant hat noch einen weiteren Vorteil: Über dem Hotel liegt ein siebenstöckiges Thermenhotel gleichen Namens. Ich sah mich also schon mein Gesicht in eine dampfende Schüssel Tortellini stecken und dazu große Mengen Rotwein schlucken, ungetrübt von Sorgen über den Heimweg.
    Ich ging in Richtung Speisesaal, war aber offensichtlich zu früh dran, Zeit für einen Aperitif. In der Bar arbeitete der zugleich langsamste und netteste Kellner der Welt, der zwar dreißig Minuten für einen Weißwein für seinen einzigen Gast brauchte, dafür aber alle drei Minuten frische Erdnüsse auftischte.
    Dann ging ich hinüber ins Restaurant und betrachtete die Karte am Eingang. Enttäuschung machte sich breit: Auf der Karte standen nur trofie mit Gorgonzola-Walnusssoße. Nicht schlecht, aber trofie, mittellange und ungleichmäßig knotige Nudeln, passten doch besser zu Genua und zum Pesto. Nennen wir es nationale Globalisierung – die regionalen Spezialitäten haben sich längst übers ganze Land verbreitet. Andererseits sollen einen Restaurants ja auch überraschen. Doch der Kellner wusste meinen Gesichtsausdruck richtig zu deuten, was ja schon
einmal ein Service-Pluspunkt ist. Wenn ich etwas außerhalb der Karte wollen würde, wäre das natürlich kein Problem, sagte er. Schüchtern fragte ich nach irgendetwas Tortellini-Ähnlichem, Emilia-Romagna-Typischem, und das Gesicht des Kellners Steve hellte sich erkennbar auf: man habe noch hausgemachte Tortiglioni mit Ricotta-Trüffelfüllung und Salbei da. Auch Villiam kam aus der Küche – meine tiefe Enttäuschung hatte offenbar den ganzen Saal zum Vibrieren und die Gläser zum Klirren gebracht – und reckte den Daumen nach oben. Er würde schon machen. Das klang doch gleich besser, und ich sah darüber hinweg, dass das bis in den letzten Winkel ausgeleuchtete Restaurant allzu businesshotelmäßig daherkam. Man erwartete, dass sich jeden Moment ein dünner Mann in einem etwas zu großen Anzug ungefragt an den Tisch setzen würde und ein paar Sätze von sich geben würde, in denen Dinge wie »Finanzoptimierung« oder »Durchleuchtung aller Versicherungspolicen auf professioneller Basis« vorkämen.
    Dann kamen die Tortiglioni, die Ricotta-Trüffelfüllung entschädigte für alles, garniert mit Salbeiblättchen und glänzend von Butter. Ein Sangiovese »La Berta« assistierte beim Hinunterbefördern, und die Welt war völlig in Ordnung. Ich konnte den dünnen Mann in dem zu großen Anzug problemlos ignorieren und nahm schließlich beschwingt meinen Fahrstuhl bis in den vierten Stock.

    Am nächsten Tag fuhr ich noch ein paar Kilometer weiter in die Berge. Es begann zu schneien, und ich schimpfte das Armaturenbrett an. Meine Meinung: Schnee gehört auf Skipisten, nicht auf viel zu enge Serpentinenstraßen. Das Armaturenbrett widersprach nicht. Mein Ziel: die »Caciosteria« in Sambuca Pistoiese, von der mir Paolo und einige andere Freunde vorgeschwärmt hatten. Da es sich bei Sambuca Pistoiese um ein Bergdorf mit nur einer gewundenen Straße handelt, hatten die Stadtplaner vor 600 Jahren nicht an die Möglichkeit gedacht, dass irgendwann einmal lärmende Maschinen mit geheimnisvollen Verbrennungsmotoren sichere Abstellmöglichkeiten fern der Fahrbahnen brauchen würden. Also fuhr ich viermal an der Osteria vorbei, immer wieder halblegal in schmalen Einfahrten wendend, doch rätselhafterweise tauchten auch nach mehrmaligem Passieren keine Parkplätze auf. Alle Häuser waren direkt an der Hauptstraße hingepflanzt

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