Meine Tochter Amy (German Edition)
schämte und schuldig fühlte, fügte sie sich selbst Schmerzen zu.
All das war noch im Gange, als ich ankam. Ich musste sie ins Bett zwingen, damit sie sich nicht noch mehr verletzte. Ich hielt sie in den Armen, bis sie sich endlich beruhigte, rief eine Krankenschwester, die sie verband und bei ihr blieb. In mein Tagebuch schrieb ich: „Das war einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Bitte, Gott, gib mir Kraft und Weisheit, um Amy zu helfen.“
Jeder Tag brachte neue Schrecken.
In der Woche darauf stellte sich Amy wie verabredet in Begleitung von Raye und Brian Spiro auf dem Polizeirevier Limehouse, um wegen des Crackvideos auszusagen. Natürlich war sie auf Drogen und betrunken. Sie wurde angezeigt und gegen Kaution für später wieder einbestellt. Als ich sie auf Entzug ansprach, war alles, was sie in ihrem Zustand herausbrachte: „Ich gehe in keine Anstalt. Ich will nach Holloway.“ Das heißt: in die Frauenhaftanstalt in Nordlondon.
Der Bond-Song war vom Tisch, aber ein paar Tage darauf wollte Amy nach Henley, um an anderen Sachen zu arbeiten, also leitete ich alles in die Wege und blieb selbst in London. Die Woche über konferierte ich regelmäßig mit Dale Davis, ihrem Bassisten und Bandleader. An manchen Tagen brachten sie was zustande, an anderen brüllte Blake Amy am Telefon an, worauf sie sich zudröhnte, um sich zu trösten.
Ich fuhr nach Henley, um selbst zu sehen, wie sie vorankam. Als ich ankam, empfing mich Amy mit einer Mitteilung, die ich schon zu oft gehört hatte: Sie wolle mit den Drogen aufhören. Ich hatte wenig Hoffnung, machte aber gute Miene zum bösen Spiel, und wir diskutierten, wie sie das schaffen konnte. Derweil rief Raye an: Salaam Remi wolle nächste Woche nach Henley kommen und mit Amy arbeiten. Sie war erfreut, und ich war froh, als sie sagte, sie sei seit drei Tagen drogenfrei, was die Krankenschwester bestätigte.
Salaam Remis Anwesenheit war ein Glücksfall. Das Wochenende über arbeiteten sie an einem Track, von dem Amy meinte, er werde mir gefallen. Er sollte für ihr nächstes Album sein, das weiß der Teufel wann erscheinen würde – es gab ja keinen Druck vonseiten der Plattenfirma. Sehr zu meiner Überraschung wirkte sie wohlauf und hatte immer noch keine Drogen genommen. Ob das so blieb, musste sich erst noch erweisen.
14
DER LANGE WEG
DER BESSERUNG
Die paar Tage, die Amy mit Salaam Remi arbeitete, taten ihr sehr gut. Raye äußerte sich zudem sehr positiv über das, was er gehört hatte. Nach Salaams Abreise in die USA gab es für Amy jedoch keinen Grund mehr, in Henley zu bleiben. Wieder mal kehrte sie nach London zurück, dieses Mal jedoch mit festerem Willen als früher. Ich hatte das Gefühl, dass sich die Dinge langsam zum Besseren wandten.
Noch in derselben Woche teilte sie mir mit, sie habe einen Termin bei Dr. Mike McPhillips, einem Psychiater und Suchtexperten vom Capio Nightingale. Das erschien mir als großer Fortschritt: Erstens suchte Amy ärztliche Hilfe, zweitens hatte sie selbst den Termin vereinbart, drittens ging sie hin. Dr. McPhillips machte ihr Mut und begann eine neue Subutex-Behandlung. Ich hatte monatelang auf sie eingeredet, nun schien sie ihre Heilung selbst in die Hand nehmen zu wollen. Sie dachte wieder an sich selbst und weigerte sich ein paar Tage später, Blake zu besuchen, weil Georgette da sein würde.
In der zweiten Maiwoche erreichte uns die großartige Neuigkeit, dass alle Klagen gegen Amy wegen des Crackvideos fallengelassen worden waren.
Ich war ungeheuer erleichtert, dass von der Polizei in dieser Angelegenheit nichts mehr zu befürchten war. Aber in meinem Hinterkopf nagten weiterhin Zweifel.
Ich hatte das Gefühl, die Aussicht auf Gefängnis habe Amy die letzten paar Wochen bei der Stange gehalten. Hoffentlich war die Einstellung des Verfahrens für sie keine passende Ausrede, sich wieder gehen zu lassen.
Klar, dass Amy die guten Neuigkeiten feiern wollte, aber richtig Angst bekam ich, als sie sagte, sie gehe zu Pete Dohertys Konzert im Forum in Kentish Town. Er hatte gerade eine Haftstrafe wegen Drogen abgesessen und war der Letzte, mit dem ich Amy rumhängen sehen wollte. Aber ich musste die Kröte wohl schlucken und ihr vertrauen. Vielleicht war es ohnehin Zeit, ihre Entschlossenheit auf die Probe zu stellen.
Am nächsten Tag waren die Zeitungen voll mit Bildern von Amy und Doherty. Sie hatten bis in die Morgenstunden am Prowse Place gefeiert und waren auf den
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