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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlis Prinzing
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Meine Großmutter war sehr bestimmend. Sie sagte meinem Großvater, der im Gemeinderat war, immer, wie er abstimmen sollte. Und sie hatte eine komische Frömmigkeit: Unter der Woche ging sie in den Gottesdienst, sonntags, wenn jeder hinging, erfand sie Ausreden. Früher fand ich das unmöglich, später habe ich diese Souveränität sehr geschätzt.
    Und sie führte Sie ins Tanzen ein …
    Das war toll. Wenn meine Eltern ausgingen, rollten wir den Teppich zur Seite und sie zeigte mir den Rheinländer. Meine Mutter wollte mich ins Ballett schicken, doch mein Vater fand, das sei nicht seriös. Mit 17 habe ich mich in einer Tanzschule angemeldet und lernte mit großem Vergnügen die Standardtänze.
    Die Großmutter fand auch, diese Tanzlust sollte Sie vom Kloster abhalten. Da würden Sie nie mehr tanzen können. Es kam anders.
    Wir durften im Kloster an zwei Tagen im Jahr tanzen, einmal in der Faschingszeit und an Neujahr. Aber die meisten Schwestern konnten nicht so gut tanzen. Da habe ich mir das Führen angewöhnt. Und das passt mir auch ganz gut. Ich mag mich ohnehin nicht von Männern führen lassen.
    Und sonst?
    Ich habe auch bei Exerzitien getanzt. Mich entspannt das, ich finde das schön. Ich habe schiere Freude am Tanzen. In Afrika war ich erst recht begeistert. Die Afrikaner sehen sich als die Menschen des Tanzes, und es ist so: Sie tanzen wunderschön. Wir haben uns dort gegenseitig das Tanzen beigebracht. Als meine Mutter zu Besuch kam und uns sah, sagte sie: »Lea, du wirkst aber schon sehr steif.« Und jetzt tanze ich immer mal gerne auch auf einem Gemeindefest.
    Sie wollten unbedingt ins Kloster. Dennoch: Das ist eine Zäsur. Was war damals ihre größte Sorge beim Klostereintritt?
    Wie ich die Gebete durchhalte. Mein Gebet ist ganz einfach: Lieber Gott, Vater unser, so als würde ich mich einhüllen in einen Mantel – ich habe eine schlichte Frömmigkeit. Ich bin keine meditative Frau, keine kontemplative, die lange Gebetszeiten schätzt. Obwohl ich weiß, dass diese Zeiten der Stille im Gebet wichtig sind. Wir beteten jeden Tag fünf, sechs Stunden lang, während der vierwöchigen Exerzitien noch länger. Exerzitien machte ich zwar schon vor dem Klostereintritt, weil ich diese Art abzuschalten und zur Ruhe zu kommen, zu Kraft und zu neuen Erkenntnissen, wichtig fand. Aber mir ist es nie leichtgefallen.
    Was trieb Sie ins Kloster?
    Abenteuerlust, Frömmigkeit und das Bedürfnis zu helfen.
    Sie hätten auch Entwicklungshelferin werden können.
    Gut, dass Sie danach fragen. Das liegt auch an der Zeit, in der ich jung war. Da schienen mir drei Wege offen: heiraten oder ins Kloster gehen oder eine alte Jungfer werden. Ich habe den Mittelweg gewählt. Ich war ja damals auch nicht verliebt.
    Sie haben mal geschildert, den letzten Ausschlag für die Bewerbung im Kloster gab, dass Sie spürten, Sie konnten sich verlieben. Dieser Mann leitete ein Reisebüro, und eine kurze Zeit lang hätte alles anders werden können. Sozusagen am Scheideweg bogen Sie ab, Richtung Kloster, nun in der Gewissheit, dies nicht aus Flucht vor der Liebe getan zu haben, sondern als bewusste Prioritätensetzung. War das Thema damit durch?
    Ich hatte einmal einen Alptraum. Ich war verheiratet. Meine Eltern haben das arrangiert. Mit einem Architekten, das hätte ja gut zu einem Bauunternehmer gepasst und auch deshalb hätte mein Vater das gerne gesehen. Und der junge Mann war auch sehr interessiert. Es war wirklich ein Alptraum. Ich wachte auf, sah mich um und seufzte erleichtert: »Gottseidank bin ich im Kloster.«
    Sie haben rasch Karriere gemacht bei Ihrer Bank, waren anerkannt – in Saarbrücken wie in Paris, Sie konnten sich was leisten und haben dies genossen. Hat es Sie nicht gereizt, auf diesem Weg weiter voranzukommen?
    Ich traue es mich kaum zu sagen. Ich wollte aus meinem Leben etwas Großartiges machen. Bei der Bank erwarteten mich aber nur Zahlen, Papier. Das wäre nie anders geworden. Aber ist das genug Inhalt? Für ein ganzes Leben? Ich fand, das reicht nicht. Und ich wollte weg aus Deutschland.
    „ Das Evangelium fand ich großartig. Mich hat aber geärgert, wie wenig engagiert es in Deutschland umgesetzt wurde. ”
    Weshalb?
    Das Evangelium fand ich großartig. Mich hat aber geärgert, wie wenig engagiert es in Deutschland umgesetzt wurde – und wenn, dann oft mit langem Gesicht. Vieles war Schein. Meine Kusine hatte reich geheiratet, sie trug Pelz, war mit Schmuck behängt und warf nur einen Groschen in den

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