Meine zwei Halbzeiten
durfte einen Co-Trainer mitbringen, Jürgen Raab, den |246| ehemaligen Kapitän der damals von mir trainierten Juniorenauswahl, zwei Bundesligaspieler, Marc Ziegler und Martin Spanring,
sowie einen in Deutschland lebenden türkischen Dolmetscher. Etwas später holte ich noch einen dritten Fußballer, den bei Bayer
Leverkusen spielenden Rumänen Ion Lupescu. Gut, dachte ich, eine derartige Ausgangsbasis bot beste Bedingungen, etwas Erfolgreiches
auf die Beine zu stellen, zumal man mir selbst einen Zweijahresvertrag mit einem sensationellen Gehalt versprach.
Während ich diesen mit fünf türkischen Vorstandsmitgliedern von Bursaspor aushandelte – dabei stand ich in telefonischem Kontakt
mit meinem Freund und Anwalt Christoph Schickhardt –, sah sich meine Frau das Haus an, das man uns zur Verfügung stellen wollte, ebenso die internationale Schule für die Zwillinge.
Ich dachte, dass die endgültige Vertragsunterzeichnung höchstens die üblichen ein, zwei Stunden dauern würde. Dem war aber
nicht so. Als die Abenddämmerung einsetzte, war der Vertrag immer noch nicht unter Dach und Fach. Dabei hatten wir sehr früh
am Morgen angefangen. Schickhardt und ich wollten eine Bankgarantie, was die Manager von Bursaspor als Misstrauen auffassten.
Man machte uns verständlich, das würde gegen ihren Stolz gehen, bei ihnen zähle auch, was man mündlich bespreche.
Am nächsten Tag gingen die Verhandlungen weiter. Chris saß in dem Raum des Vereinsgebäudes, in dem wir die Verhandlungen führten,
auf einer hinteren Bank und wartete. Plötzlich betrat ein Mann das Büro und überreichte ihr eine Plastiktüte. Ich hörte, wie
meine Frau sagte: «Aber was soll ich damit?» Der Dolmetscher, der bei den Vertragsauseinandersetzungen anwesend war, leistete
Übersetzungshilfe.
«Das ist das Geld», sagte der Mann.
«Was denn für Geld?»
«Ja, die Vorauszahlung.»
Man bat sie darum, die Scheine nachzuzählen. In meiner Erinnerung waren sie nicht einmal gebündelt.
|247| «Wie?», fragte Chris. «Ich laufe doch nicht mit einer Plastiktüte voller Geld herum.»
«Sie fliegen morgen nach Deutschland zurück, da können Sie es mitnehmen.»
Mit einer solchen Situation war ich auf geschäftlicher Ebene bislang nicht konfrontiert gewesen. Wir hatten zwar eine Vorauszahlung
vereinbart, aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass man mir Tausende von Mark in einer stinknormalen Plastiktüte überreichen
würde.
«Das geht so nicht», mischte ich mich ein. «Wenn wir deswegen am Flughafen verhaftet werden, können Sie den Vertrag gleich
vergessen.»
Was nun folgte, ging so schnell vor sich, dass ich kaum begriff, wie Chris und mir geschah. In zwei Autos fuhren wir mit den
fünf Vorstandsmitgliedern samt Plastiktüte los, um vor einer großen Bank zu halten, und zwar vor einer solchen, in der man
nur beachtet wird, wenn man ein Konto mit einer sechsstelligen Zahl hat. Da die Vorstandsmitglieder aber zu den Männern gehörten,
die in Bursa eine bedeutende gesellschaftliche Position innehatten – ihnen gehörte eine nationale Fluggesellschaft, ein örtlicher
T V-Sender , ein Textil- oder Betonwerk –, standen die Bankangestellten bei unserem Eintreten augenblicklich stramm.
Einer der Männer übergab die Tüte einem Bankmitarbeiter und nannte die Summe. Ich wartete darauf, dass man die Zahl überprüfte,
doch nichts dergleichen geschah. Niemand zählte nach. Der Betrag wurde auf mein deutsches Konto transferiert, und innerhalb
kürzester Zeit kam die Rückmeldung über einen SWIF T-Code , dass es eingetroffen sei. Das Abenteuer konnte beginnen. Dass ich dabei zum zweiten Mal in meinem Leben würde flüchten müssen,
wenn auch aus ganz anderen Gründen als beim ersten Mal, ahnte ich noch nicht.
Das Haus, in das wir einzogen, eher eine Villa, war ein Traum – mit drei Wohnebenen, einer riesigen Terrasse, Swimmingpool
und |248| Blick hinunter zum Mamarameer. Hier konnte man leben. Möbel mussten wir nicht mitnehmen, jeder Raum war modern ausgestattet.
Dazu wurde mir ein Auto gestellt, ein Mercedes, nicht neu, aber das war nicht entscheidend. Wichtig war, dass ein Wagen vor
der Tür stand, wie man es mir vertraglich zugesichert hatte.
Romy und Julia hatten bei der Aufnahme zur internationalen Schule nur eine einzige Prüfung zu absolvieren: Sie mussten eine
Strophe der türkischen Nationalhymne auswendig aufsagen können. Eine inhaltliche Wiedergabe wurde nicht verlangt.
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