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Meine zwei Halbzeiten

Titel: Meine zwei Halbzeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Berger
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Schwerer
     war es für sie, die geforderte Einheitskleidung zu tragen – die elfjährigen eineiigen Zwillinge hatten in den letzten Jahren
     stets auf einem unterschiedlichen Äußeren bestanden.
    In den nächsten Wochen lagen bei meiner Arbeit als Coach Euphorie und Niedergeschlagenheit sehr nah beieinander. Zum größten
     Teil war das ergebnisabhängig. Gewann ich ein Spiel mit meiner Mannschaft, bekam Chris, die noch eine Weile zwischen Deutschland
     und der Türkei hin- und herpendelte, dies nach Landung auf dem Flughafen in Istanbul sofort zu spüren. In solchen Fällen erwartete
     sie ein Helikopter, der sie in 20   Minuten nach Bursa flog; eine andere Flugverbindung gab es nicht. Bei einer Niederlage, selbst bei einem Unentschieden, brauchte
     sie mit einem solchen Service nicht zu rechnen. Sie wurde dann von einem Fahrer des Vereins abgeholt; einschließlich der Zeit
     auf der Fähre dauerte die Strecke acht Stunden.
    Fußball ist eine emotionale Angelegenheit, aber so emotional, wie ich das bei Bursaspor erlebte, war es mir noch nie untergekommen.
     Bursa gehörte zu jenen türkischen Städten, die besonders hitzig auf die Ergebnisse ihrer Mannschaft reagieren. Im Positiven
     wie im Negativen. Und zu dem Negativen gehörte eine unberechenbare, explosive Stimmung. Gewannen wir ein Heimspiel nicht,
     brachte man mich unter Polizeischutz aus dem Stadion. In dessen Nähe standen Panzer und Wagen mit Wasserwerfern, die Villenanlage
     wurde ständig überwacht.
    |249| Nach einer wiederholten Niederlage fing der Vorstand von Bursaspor an – er bestand aus insgesamt neunzehn Personen   –, mir deutliche Vorschriften zu machen. Da hieß es auf einmal, dass ich meine mitgebrachten Spieler nicht mehr einsetzen
     solle. Sosehr ich mich auch auflehnte, ich konnte nichts dagegen unternehmen. Laut den hiesigen Fußballbestimmungen hatte
     ich den Anordnungen der türkischen Vorstandsmitglieder Folge zu leisten, eine Weigerung wäre gleichsam als Vertragsbruch ausgelegt
     worden. Hinzu kam, dass jeder der neunzehn Männer aus dem Vorstand einen Spieler gekauft hatte, den er natürlich auch spielen
     sehen wollte – was leider mit den Regeln des Spiels nur bedingt zu vereinbaren war.
    Das konnte nicht mehr lange gutgehen. Vorsichtshalber schickte ich meine Familie nach Deutschland zurück. Die Wohnung in Duisburg-Rahm,
     in der wir zuletzt lebten, hatten wir glücklicherweise nicht aufgegeben.
    Den Showdown leitete im Oktober 2000 ein Heimspiel gegen Istanbulspor ein, einer der vier großen Istanbuler Fußballclubs,
     bei dem man mich stark unter Druck setzte. Einer der Vorstandsmitglieder wollte bei der Aufstellung einen bestimmten Feldspieler
     sehen, ein anderer favorisierte den Ersatztorwart und nicht den Stammkeeper. Ständig ging es mit den Forderungen hin und her.
     Diese Unruhe, die im Vorfeld durch den Vorstand in den Medien weiter geschürt wurde, übertrug sich automatisch auf die Mannschaft
     sowie auf die Fans.
    So war es kein Wunder, dass wir das Spiel mit 2   :   5 verloren. Im Stadion kam es zu Tumulten, Fahnen wurden abgebrannt, Fans aus den beiden Lagern gingen aufeinander los. In
     der Kabine traten drei Männer aus dem Vorstand an mich heran und teilten mir mit, dass ich nicht zur anschließenden Pressekonferenz
     gehen und auch nicht zum Training am nächsten Tag, einem Sonntag, kommen sollte. Zum Schluss sagte man mir: «Wir bitten Sie,
     morgen um zehn Uhr zu einer Besprechung zu erscheinen.» Das |250| Lokal, das sie noch nannten, befand sich in der Nähe der Villa, in der ich nun allein wohnte.
    Die Signale waren eindeutig, brisanter konnte die Lage kaum sein. In der Nacht schlichen Jürgen Raab – als Co-Trainer war
     er von dieser Entwicklung ebenfalls betroffen – und ich in die Kabine und holten unsere persönlichen Sachen ab. Auf der Fahrt
     zurück stellten wir fest, dass unsere Handys tot waren. Ausländer konnten in der Türkei nur ein Mobiltelefon anmelden, wenn
     ein Einheimischer dafür bürgte. Es war somit ein Leichtes, das Handy abzumelden. Einen Festnetzanschluss besaß ich ohnehin
     nicht.
    Am nächsten Morgen entdeckte ich bei einem Blick auf das Wohngelände – das normalerweise niemand ohne Erlaubnis betreten durfte
     – drei Fernsehübertragungswagen und viele Journalisten.
    So wie das hier alles ablief, dachte ich, würde man uns in der Restaurantbesprechung keine Chance einräumen. Ich lag nicht
     falsch. Als alle Vorstandsmitglieder versammelt waren, sagte man zu

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