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Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition)

Titel: Meines Vaters Land: Geschichte einer deutschen Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wibke Bruhns
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an die Reinheit des Krieges ist gestört. Es geht eben nicht mehr nach irgendwelchen Regeln – der Krieg als Männerspiel mit verläßlichen Verabredungen ist Geschichte. »Dies ist eine harte Schule«, findet Kurt. »Der Krieg enthüllt die niedrigsten und hinterhältigsten Charaktere« – das gilt, hier spricht enttäuschte Liebe, vor allem für die Engländer. Doch »er setzt auch die höchsten Instinkte im Menschen frei«, damit meint Kurt seine Soldaten. »Ich freue mich täglich über meine Kerle«, schreibt er an Gertrud. »Gewiß ist mancher darunter, der daheim ein Sozi war. Aber der Krieg hat gewirkt, ein läuterndes Feuer: Die Schlacken sind gefallen, das edle Erz ist geblieben. Heil Deutschland! Der Sieg muß Dein sein, da Du solche Männer in den Krieg schickst.« Kurt ist froh, daß er »dabei sein darf und ein klein bißchen dabei helfen kann!« Und jetzt ist Gertrud dran: »Du nicht auch, meine Liebe? Sei mit mir froh darüber! Du deutsche Frau! Du Mutter deutscher Kinder, die einer großen Zukunft entgegensehen.«
    Der Vater dieser Kinder hält »deutsche Kultur« hoch, indem er peinlich darauf achtet, daß in französischen Städtchen, wo er als Standort-Kommandant bestallt ist, »endlich mal die Straßen gesäubert«, daß Sitz-Klos gebaut werden statt der mit zwei Trittstufen versehenen Boden-Kloaken. Als Tourist im Landesinneren wäre Kurt wahrscheinlich heute noch verloren. Er sorgt für Müll-Sammelstellen und die Liquidierung der Brieftauben als mögliche Feind-Informanten. Die besetzten Franzosen halten ihn vermutlich für bekloppt.
    Der Tod ist überall, auch hinter der Front. Auf einem Feld scheut Kurts Pferd vor zwei toten Franzosen, »ein blutjunger und ein etwa 30jähriger. Sie hielten sich noch im Tode umschlungen.« Kurt muß denken »an die Mutter, die noch nicht weiß, daß sie ihren Sohn verloren, an das junge Weib, die vielleicht jetzt mit ihren unschuldigen Kindern spielt und nicht ahnt, daß sie Witwe geworden ist«. Der »Jammer des Krieges« packt ihn »unmittelbar ans Herz«, und er wird »manchmal schwach, aber ich überwinde es immer wieder«. Da lehnt sich nichts auf in seiner Seele. Ohne den Anflug eines Entsetzens schreibt er beim »Heldentod« eines Neffen ins Kriegstagebuch, daß dessen Vater seiner Frau von der Front telegrafiert habe: »Mutig sein! Siegen tut not, leben nicht!« Sind die verrückt? Was ist das für eine grenzenlose Hybris, die Deutschland und die Deutschen über den Tod der Söhne stellt?
    Kurt 1914 aus Frankreich an seinen gerade 16jährigen Sohn HG: »Ist es nicht merkwürdig, wie viele tüchtige, wunderbare Männer Gott in dieser schweren Zeit in unserem Volk erweckt hat? Hat ein anderes Volk einen Hindenburg? Können sich French, Kitchener, Joffre« – das sind die durchaus erfolgreichen Kriegsherren der Gegenseite – »messen mit unseren Heerführern, von denen auch nicht einer versagte? Die Engländer und die Franzosen kämpfen wie die Löwen, aber am Mark der Völker zehrt die Schuld; ihr Kampf wird vergeblich sein.«
    Und weiter: »Soeben trifft die Nachricht vom ersten Seegefecht ein. Hurrah! Das ist herrlich! Unsere brave Marine! England – diese Großschnauzen! Beherrscher des Meeres a. D. Nun noch ein paar Zeppelin-Bomben auf London – gerade auf die ›Bank of England‹! Das wäre schön!« Was ist bloß in ihn gefahren? Ausgerechnet England, das ihm immer so gut gefallen hat! Heißt denn Krieg, den Verstand zu verlieren? Ich weiß das nicht, den Irrungen der Vorfahren sei Dank. In meinem Leben fand so ein Krieg nicht statt, und ich habe mich nie aufplustern müssen für irgend etwas Nationales, noch nicht mal für eine Fußballmannschaft.
    Kurts Söhne – HG und der kleine Bruder Kurt d. J. – wollen zu Hause auch ihren Krieg. Sie machen sich bei der Hilfstruppe der Pfadfinder nützlich. Kurt junior in steifem Sütterlin an den Vater: »Hier gibt es sehr viel zu tun. Vormittags bin ich auf dem Schützenwall gewesen und habe den Soldaten Hemden, Hosen und Stiefel rangeschleppt. Gestern morgen waren Hans Georg und ich (Hans Georg ist auch Pfadfinder) auf der Polizeiwache Kühlingerstraße. Wir mußten Briefe austragen, und ich holte Hans Georgs Rad. Hans Georg fuhr auf Deinem Rade, und ich fuhr auf seinem. Am Nachmittag hatten wir dasselbe Amt. Heute Vormittag war ich auf dem Rathause und holte den Polizisten Bier oder ich machte Wege für sie, oder ich zeigte Soldaten den Weg. Hier merke ich eigentlich recht wenig vom

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