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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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Blinzel erlitt einen Herzanfall. Vielleicht hat man ihn bewußt zu Tode
erschreckt. Aber wenn wir das behaupten, dann müßten wir Absicht und Methode
beweisen, und das dürfte nicht ganz leicht sein. Habt Ihr die gestohlene
Handschrift jemals gesehen ?«
    Der Prinz schüttelte
verneinend den Kopf. »Das ist ein Stück davon«, sagte Meister Li und reichte
dem Prinzen das Pergament. Der Prinz reagierte wie die Kröte; auch bei ihm
dauerte es nur fünf Sekunden, bis die Augen so groß wie Suppenteller wurden.
    »Buddha«, flüsterte er,
»wer es auch war, man sollte ihn zum Gott erheben. Aber weshalb hat er so
deutlich darauf hingewiesen, daß es sich um eine Fälschung handelt ?« »Die Antwort darauf werden wir vielleicht nie erfahren«,
sagte Meister Li nachdenklich. »Alles andere scheint ziemlich einfach zu sein.
Bruder Blinzel stieß zufällig unter den alten Handschriften in der Bibliothek
auf einen gefälschten Ssu-ma Chien. Vermutlich ist es nicht von Bedeutung, ob er
sie als Fälschung erkannte oder nicht. Echt wäre die Handschrift für Historiker
ein kleines Vermögen wert, aber eine Fälschung wäre für Sammler von Fälschungen
ebenso kostbar .«
    Meister Li schüttelte
traurig den Kopf.
    »Bruder Blinzel erlag der
Versuchung, aber er war ein erbärmlich schlechter Betrüger. Er versuchte, die
Fälschung durch eine Pause zu fälschen, ging mit einer Seite des Originals nach
Ch'ang-an und einigte sich mit einem Sammler.
    Damit kein Verdacht auf den
Bibliothekar fallen würde, erklärte sich der Sammler bereit, einen Diebstahl
vorzutäuschen. Der dumme Mönch erhielt einen kleinen Vorschuß, von dem er sich
ein teures Essen genehmigte. Dann kehrte er ins Kloster zurück, um seinen
kleinen Plan in die Tat umzusetzen. Ich vermute, er wollte beides. Er würde
sein Gewissen beruhigen, indem er das Original in der Bibliothek zurückbehielt
und dem Sammler seine Pause überließ. Er hat versucht, den falschen Mann übers
Ohr zu hauen .« Meister Li wandte sich an mich. »Ochse,
die Eisenstäbe mußten mit großen Hebeln verbogen werden, und das verursachte
einigen Lärm. Bruder Blinzel hätte nur den Riegel zurückschieben, in den Gang
hinausrennen und Hilfe holen müssen. Aber er blieb, wo er war. Das heißt, er
war ein Komplize .«
    Meister Li sprach wieder
zum Prinzen. »Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß der Sammler das Messer zog
und erklärte, da der gute Mönch glaube, Ssu-ma Chien zu sein, sollte die
Ähnlichkeit durch Kastration vollkommen gemacht werden. Jedenfalls schrie
Bruder Blinzel und starb - buchstäblich vor Angst. Der Sammler hatte ihn
gezwungen, das Original herbeizuholen. Er riß es dem Toten aus der Hand und
lief davon. Dann spielten er und seine Komplizen ihren Teil des Schauspiels.
Jedem, der im Tal der Seufzer etwas stehlen will, kann man nur raten, sich als
wahnsinniger Mönch im Narrenkostüm zu verkleiden. Augenzeugen rennen vermutlich
aus Angst bis zum Gelben Meer .«
    Der Prinz schenkte Tee
nach. Meister Li goß sich noch einen Schuß Wein dazu.
    »Prinz, Euer Ahne hat auf
seiner Suche nach Eisen, und Buddha weiß, wonach sonst noch, das ganze Tal
untertunnelt. Außerdem hat er die Gegend mit Säuren und geheimnisvollen
selbsterfundenen Substanzen getränkt. Angenommen, einer der unterirdischen
Gänge wäre eingestürzt. Es ist nicht unmöglich, daß unterirdische Echos einen
merkwürdig faszinierenden Ton hervorrufen, und daß ein unterirdischer
    Tümpel mit alten Säuren -
oder was immer - an dieser Stelle der Prinzentrift ausgelaufen ist. Ich kenne
keine Substanz, die ihre Wirkung siebenhundert Jahre behält, aber das bedeutet
nicht, daß es eine solche Substanz nicht gibt. Aber das werden wir in der
Akademie in Ch'ang-an untersuchen. Wir werden auch den Mann finden, der für den
Diebstahl verantwortlich ist«, sagte Meister Li zuversichtlich. »Das Problem
wird darin bestehen, den Mord zu beweisen. Der Abt ist bereit, sich mit einem
neuen Dach zu begnügen. Hättet Ihr gegen einen solchen Vergleich Einwände ?« Der Prinz wies auf seine Brust. »Ich? Meine Familie hat
seit den schrecklichen Tagen des Feudalismus, den die Neokonfuzianer so sehr
lieben, keinen Anspruch mehr auf dieses Tal. Wir gehen nur daran pleite , die Prinzentrift und ein paar andere Dinge zu
finanzieren. Ich habe in dieser Angelegenheit nichts zu sagen .«
    Meister Li sah ihn
forschend an. »Ich weiß nicht, ob die Bauern es auch so sehen«, sagte er. »Die
Herren des Tals kamen viele Jahrhunderte aus

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