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Meister Li und der Stein des Himmels

Meister Li und der Stein des Himmels

Titel: Meister Li und der Stein des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Hughart
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runde orangefarbene Kugel aus Ton. Ich griff danach, meine Hand schloß
sich darum, und irgend etwas sagte mir, ich solle auf
die Bewegung achten: auf, Pause, ab... auf, Pause, ab. ..
    Meine Finger kribbelten.
Die Tonkugel hatte einen Herzschlag, und er hatte den Rhythmus der Bewegung;
ein Schmerz erfaßte mein Herz, und Tränen füllten meine Augen. Auf, Pause, ab: kung, shang, chueh. Ich hörte den wunderbaren Ton nicht, sondern fühlte ihn
im Pulsieren des Tonstücks, und dann war ich in meinem alten Schulzimmer im
Kloster, und eine Gruppe Jungen sahen mich mit Eulenaugen an, und ich versuchte
verzweifelt, etwas sehr Wichtiges zu erklären.
    »Begreift ihr nicht ?« sagte ich, »die Lebenskraft eines runden orangefarbenen
Tonstücks ist wie eine Flagge und ein Schmetterling und das Haar eines kleinen
Mädchens. Auf, Pause, ab; auf, Pause, ab. Das Wichtige daran ist, die Pause
nicht zu vergessen. Könnt ihr das nicht verstehen ?« Die Jungen starrten mich ernst an.
    »Es ist die Pause !« schrie ich. »Es ist nicht wie der Herzschlag eines
Menschen, und ihr werdet den wundervollen Ton, den es hervorbringt, nie hören,
wenn ihr die Pause nicht versteht !«
    Der alte Abt kam schlurfend
auf mich zu. Er kam näher, und dann war es überhaupt nicht der Abt. Es war
Meister Li. Er packte mich an den Schultern, schüttelte mich und schrie wütend: »Nummer Zehn der Ochse, du könntest nicht einmal einer Banane beibringen,
schwarz zu werden !« Dann wachte ich auf.
    »Das ist alles, was ich
Euch von dem Traum erzählen kann,
    Meister«, sagte ich. »Etwas
an der Szene hier erinnerte mich daran und an das Schema: Dieser hohe,
abgestorbene Baum dort, dann ein Zwischenraum, dann niedrigere abgestorbene
Bäume, dann ein Zwischenraum, dann Büsche...« Ich zuckte mit den Schultern und
fuhr mit dem Finger durch die Luft. »Und du zeichnest alte Gelehrten-Ideogramme
für Liebe, Kraft und Himmel«, sagte Meister Li nachdenklich, »bist du ganz
sicher, daß die Kugel aus Ton orange war ?«
    »Ja, Meister«, sagte ich.
    Er kratzte sich die Nase
und kaute grübelnd an den Enden seines dünnen Bartes. »Es lohnt sich
vielleicht, darüber nachzudenken, wenn wir Zeit haben«, sagte er, »die Symbolik
ist augenfällig, aber sie führt in einen Sumpf, aus dem ich mich lieber heraushalten
möchte .«
    Meister Li begann, nach den
Spuren mysteriöser Mönche im Narrenkleid zu suchen, und ich begann, weitere
Pflanzen-und Bodenproben zu sammeln. Plötzlich begann das Trommeln. Hunderte
von Handtrommfeln dröhnten leise, aber methodisch überall im Tal der Seufzer.
Der Prinz sah Meister Li mit hochgezogenen Augenbrauen an, aber Meister Li wies
mit dem Kopf in meine Richtung. »Fragt den Fachmann, wenn es um die Bräuche der
Bauern geht«, sagte er. Ich errötete wieder. »Hoheit, Sie werden Euch erpressen«,
sagte ich demütig. »Wie?«
    »Erpressen trifft es nicht
ganz, aber ich weiß nicht, wie man das richtig bezeichnet«, sagte ich, »sie
werden ein Arbeitslied singen. Es ist älter als die Zeit, und die Bauern wenden
es an, wenn sie wollen, daß der Herr des Tals etwas Bestimmtes tut .«
    »Welcher Herr von welchem Tal ?« erwiderte der Prinz ärgerlich.
    Meister Li kam mir
freundlicherweise zu Hilfe. »Die Bauern glauben, daß Euer Ahne dahintersteckt.
Und für sie seid Ihr der Herr des Tals, ob es Euch gefällt oder nicht. Die
Anführer bereiten das Lied vor, das die Pflichten der Bauern gegenüber dem
Herrn aufzählt und damit unausgesprochen die Pflichten des Herrn gegenüber den
Bauern. Ochse, wie viele Verse gibt es ?«
    »Über vierhundert«,
antwortete ich, »wenn sie am Ende sind, fangen sie wieder von vorne an, und
wenn es sein muß, halten sie es ein ganzes Jahr durch .«
    Ich fügte nicht hinzu, daß
ich an ihrer Stelle das gleiche getan hätte. Konfuzius hielt so viel vom
Erpresserlied, daß er einen Teil in das Buch der Oden aufnahm. Wenn die
Trommeln »bum, bum, bum« schlagen, ist es tatsächlich sehr wirkungsvoll.
    »Im fünften Mond sammeln
wir wilde Pflaumen und Kirschen,
    Im sechsten Mond kochen
wir eßbaren Eibisch und Bohnen,
    Im siebten Mond trocknen
wir die Datteln, Im achten Mond schneiden wir den Reis, Um den Frühlingswein
damit zu machen, Damit unserem Herrn ein langes Leben beschieden sei.
    Im sechsten Mond
pflücken wir Melonen, Im siebten Mond ernten wir Kürbisse, Im achten Mond
bringen wir den reifen Hanf, Wir sammeln bittere Kräuter, wir fällen den
Götterbaum für Feuerholz, Damit unser Herr essen

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