Meister und Margarita
Nächstes kam ein morscher Sarg herausgerannt, sein Deckel sprang auf und daraus kullerte ein anderer Leichnam. Der Schönling stürzte galant herbei und hakte sich bei ihm ein, worauf die Überreste das Aussehen einer nackten Frau annahmen. Sie trug schwarze Pumps und in ihrer Frisur steckten ebenfalls schwarze Federn. Und beide, der Mann und die Frau, eilten die Treppen hoch.
– Die Allerersten! –, rief Korowjew. – Monsieur Jacques mit seiner werten Gemahlin. Sehr zu empfehlen, Königin, und überaus interessant! Ein eingefleischter Falschmünzer und Staatsverräter, und ein gar nicht mal übler Alchemist. Berühmt dafür, dass er die Geliebte des Königs vergiftet hat. Und das kann nicht jeder von sich behaupten. Da, schauen S’ nur, was für ein hübscher Bengel!
Margarita stand mit offenem Mund und sah nach unten, wo in irgendeinem Seitengang des Empfangszimmers sowohl Sarg als auch Galgen verschwanden.
– Ich bin entzückt! –, brüllte dem die Stufen heraufgestiegenen Monsieur Jacques mitten ins Gesicht der Kater.
Währenddessen entstieg dem Kamin ein kopfloses Skelett mit abgerissenem Arm, schlug am Boden auf und verwandelte sich in einen befrackten Herrn.
Die Gemahlin des Monsieur Jacques fiel indes vor Margarita nieder und küsste ihr Knie, von Aufregung bleich.
– Königin … –, stammelte sie.
– Die Königin ist entzückt! –, schrie Korowjew.
– Königin … –, sagte leise der schöne Monsieur Jacques.
– Wir sind entzückt! –, jaulte der Kater.
Die jungen Leute neben Azazello lächelten leblos aber freundlich und drängten das Paar ein wenig beiseite – zu denvon den Negern in den Händen gehaltenen Champagnerkelchen. Der einsame Frackträger aber lief die Treppe herauf.
– Lord Robert –, flüsterte Korowjew, – verdient nach wie vor Beachtung. Ist das nicht amüsant, Königin? Der haargenau umgekehrte Fall: Er war der Königin ihr Liebhaber und hat seine Frau vergiftet.
– Wir freuen uns, Mylord –, rief Behemoth.
Durch den Kamin kamen einer nach dem anderen drei Särge herausgeschossen, platzten auf und zerfielen. Dann einer im schwarzen Mantel, auf den der Nächste, der dem dunklen Rachen entstieg, von hinten mit einem Messer einstach. Unten ertönte sein gedämpfter Schrei. Dann eine völlig verweste Leiche. Margarita kniff die Augen zusammen. Jemand hielt ihr einen Flacon mit weißem Salz unter die Nase. Vielleicht Natascha. Die Treppe füllte sich zusehends. Auf jeder Stufe standen jetzt, von Weitem gesehen, sich aufs Haar gleichende Herren in Fräcken gemeinsam mit den sie begleitenden nackten Frauen, die sich lediglich durch die Farbe der Schuhe und Kopffedern unterschieden.
Und dann diese humpelnde Dame in einem seltsamen Holzschuh auf dem linken Fuß. Sittsam. Nonnenhaft gesenkte Augen. Ganz dünn. Um den Hals eine breite grüne Binde.
– Diese Grüne? –, murmelte Margarita in Trance.
– Ist eine überaus solide und reizende Dame –, hauchte Korowjew. – Darf ich vorstellen: Signora Tofana. Einst sehr beliebt in den Kreisen der bezaubernden Neapolitanerinnen wie auch der Bewohnerinnen von Palermo. Insbesondere solcher, die ihrer Gatten überdrüssig geworden sind. Das kommt doch vor, oder nicht? Königin? Dass man seines Gatten überdrüssig wird? …
– Ja –, sagte Margarita dumpf und lächelte dabei zwei Frackträger an, die sich einer nach dem anderen vor ihr verbeugten, das Knie und die Hand küssend.
– Na gut –, flüsterte Korowjew weiter, der sich gleichzeitig anschickte, jemandem zuzurufen: – Herzog! Wie wär’s mit einem Glas Champagner? Ich bin entzückt! … Na ja, die besagte Signora Tofana versetzte sich in die Lage jener armen Frauen. Und verkaufte ihnen Flacons mit einem gewissen Wässerchen. Dieses Wässerchen mischten die Frauen ihren Ehemännern in die Suppe. Die Ehemänner aßen selbige Suppe, bedankten sich für die Freundlichkeit und fühlten sich wunschlos glücklich. Freilich verspürten sie Stunden später einen starken Durst, legten sich ins Bett, und am nächsten Tag war die herzige Neapolitanerin, die ihren Mann so fürsorglich bekochte, frei wie ein Frühlingslüfterl.
– Und was hat sie da an ihrem Fuß? –, fragte Margarita und hielt dabei ihre Hand unermüdlich den Gästen hin, welche die humpelnde Signora Tofana überholten. – Und wozu dieses Grün am Hals? Ist ihre Haut welk?
– Fürst, ich bin entzückt! –, schrie Korowjew und flüsterte parallel dazu: – Ihre Haut ist perfekt, doch in der
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