Meister und Margarita
derber Charakter, Bauernfänger und Beutelschneider, noch nicht als lebenskluger Possenreißer erschien, die Figur inspirierte u. a. Charles de Coster zu einem Roman und Richard Strauss zu einer symphonischen Dichtung.
S. 494 »Sein Wortspiel im Gespräch über Licht und Finsternis erwies sich leider als wenig geglückt …«: Diese Anspielung auf die Identität Korowjews ist bis heute dunkel geblieben. Eine mögliche Erklärung bietet aber der Name »Fagot«: In den 1580er Jahren lebte in London im Hause des französischen Gesandten Michel de Castelnau ein vermeintlicher katholischer Priester, der in Wirklichkeit als Informant für den englischen Geheimdienst tätig war und unter dem Namen »Fagot« geheime Depeschen über die dortigen Vorgänge schrieb. Nach Ansicht des amerikanischen Historiker John Bossy handelte es sich dabei um niemand anderes als Giordano Bruno (1548–1600). Gerade der Nolaner war aber für seine spöttischen Wortspiele bekannt und widmete in seinen Werken dem Verhältnis von Licht und Finsternis viel Aufmerksamkeit, unter anderem in seiner Schrift »Die Schatten der Ideen« (1582). Darin schreibt er: »Der Schatten gehört nicht zur Finsternis, sondern ist eine Spur des Finsteren im Licht oder eine Spur des Lichtes in der Finsternis oder Teilhaber von Licht und von Finsternis oder aus Licht und Finsternis zusammengesetzt oder aus Licht und Finsternis gemischt oder keines von beiden oder und von diesen beiden abgetrennt.« Derfolgende Satz aus dem Text erinnert stark an das Gespräch zwischen Woland und Levi Matthäus in Kapitel 29: »Die Natur erlaubt keinen direkten Fortschritt von einem Extrem zum anderen (vom höchsten Prinzip bis zu den niedrigsten Einzelheiten), sondern bedient sich der Vermittlung der Schatten und abgeschatteten Lichtes.« Und in seiner Schrift »Über die Monas« (1591) sagt er: »Der Schatten ist ein Prinzip, gegen das Licht hin abgegrenzt, und er mildert das Licht in der Hervorbringung der zusammengesetzten Dinge ab. Die Erde ist nur kalt wegen des Schattens, so wie die Sonne nur heiß ist wegen des Lichts.« In Anbetracht der recht dämonischen Ausstrahlung Brunos, seiner Ablehnung der Kirche und des Christentums als solchen und der Tatsache, dass der Name »Fagot« u. a. auch »Reisigbündel« bedeutet, scheint der auf dem Scheiterhaufen verbrannte Nolaner ein glaubwürdiger Prototyp für Korowjew zu sein.
S. 495 »Sie flogen über den irrwischhaft flimmernden Felsblöcken, dazwischen – vom Mondschimmer unerreicht – ein Gefälle aus schwarzen Lücken …«: Im Russischen: »Vnizu pojavilis’ i stali otbleskivat’ valuny, a meždu nimi začerneli provaly, v kotorye ne pronikal svet luny …«
S. 495 »Auf einem flachen freudlosen Berggipfel …«: Gemeint ist der Berg Pilatus in der Nähe von Luzern, wo, gemäß einer weiteren mittelalterlichen Sage, einmal im Jahr, am Karfreitag, Pilatus seinem Grab im Pilatussee entsteigt, um während der Passion mit wallendem, taubengrauem Haar, im purpurnen Richterornat auf einem Stuhl zu sitzen.
S. 499 »… dreifach romantischer Meister …«: Zum wiederholten Male verweist Bulgakow auf die romantischen Quellen seines Romans, wie etwa E. T. A. Hoffmann, Goethe, die romantischen Opern. Möglicherweise auch eine Anspielung auf Hermes Trismegistos, den »dreifach großen Hermes«.
S. 499 »Unmittelbar nach dem Mitternachtsmond …«: Im Russischen: »… neposredstvenno posle polunočnoj luny…«
S. 500 »Und dein Schlaf ist in meiner Obhut …«: Ursprünglich folgte an dieser Stelle der Absatz:
Margarita redete an des Meisters Hand – unterwegs zu ihrem ewigen Heim. Und die Worte, sie rieselten, wie das Rieseln und Flüstern des Bachs hinter ihnen. Und des Meisters Gedächtnis, dieses unruhige, dieses von spitzen Nadeln zerpickte Gedächtnis verdämmerte nach und nach. Irgendjemand sprach ihn frei, so wie er den von ihm erschaffenen Helden eben erst selber freigesprochen. Sein Held war jetzt im Abgrund fort, war jetzt unwiederbringlich fort. So fand Vergebung in der Nacht auf Sonntag jener Sohn des Sterndeuterkönigs, jener hartherzige fünfte Statthalter von Judäa, der Reiter Pontius Pilatus.
Bulgakow hatte ihn im Mai 1939 jedoch durch den Epilog ersetzt. Trotz der Streichung seitens ihres Mannes nahm Jelena Bulgakowa die Passage wieder in den Text hinein, weil sie ihr persönlich viel bedeutete.
Epilog
S. 503 Theodosia: Eine Hafenstadt auf der Halbinsel Krim.
S. 504 Armawir: Eine Stadt im
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