Meister und Margarita
Reihen der Sitzenden fand und sanft mit dem Finger nach oben winkte. Und plötzlich stand Nikanor Iwanowitsch mitten auf der Bühne. Von unten und von vorne blendeten ihn farbige Scheinwerferstrahlen, wodurch der Saal und das Publikum sofort zusammen im Dunkeln versanken.
– Also, verehrter Nikanor Iwanowitsch, gehen Sie uns mit gutem Beispiel voran –, sagte der junge Artist von Herzen, – und geben Sie Ihre Devisen ab.
Da wurde es still. Nikanor Iwanowitsch schnappte nach Luft und stotterte leise:
– Bei Gott, ich schwöre …
Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als im Saal allgemeine Empörung ausbrach. Nikanor Iwanowitsch verlor den Faden und verstummte.
– Falls ich Sie richtig verstanden habe –, sprach der Ansager, – wollten Sie gerade bei Gott schwören, dass Sie keine Devisen besitzen? –, und er warf ihm einen teilnahmsvollen Blick zu.
– Jawohl, keine Devisen –, bestätigte Nikanor Iwanowitsch.
– Nun gut –, antwortete der Artist. – Doch verzeihen Sie meine Indiskretion: Woher stammen dann die vierhundert Dollar, die sich im Klo jener Behausung fanden, welche, insofernich recht informiert bin, einzig von Ihnen und Ihrer Frau Gattin bewohnt wird?
– Hexerei! –, meinte jemand, sichtlich ironisch, aus dem dunklen Saal.
– Jawohl, Hexerei –, sagte Nikanor Iwanowitsch schüchtern, ob zum Künstler oder zum dunklen Saal gewandt, und erklärte sich: – Finstre Mächte. Vom karierten Dolmetsch untergeschoben.
Und wieder ein Sturm der Entrüstung im Publikum. Doch sobald die Stille erneut eintrat, sprach der Artist:
– Dass ich mir solche Fabeln anhören muss! Sie sind wohl Monsieur La Fontaine persönlich! Vierhundert Dollar! Untergeschoben! – Also Sie hier sind alle Devisenhändler: Nun, was sagt die Fachwelt dazu? Klingt das für Ihre Ohren plausibel?
– Wir sind überhaupt keine Devisenhändler –, entgegneten ihm aus dem Zuschauerraum vereinzelte und gekränkte Stimmen, – aber plausibel klingt das allemal nicht.
– Will ich auch meinen –, versicherte der Künstler. – Denn was wird heutzutage so untergeschoben?
– Ein Kind! –, tönte es aus dem Saal.
– Ganz recht –, bestätigte der Ansager, – ein Kind. Ein anonymer Brief. Ein Flugblatt. Eine Höllenmaschine. Was weiß ich! Aber vierhundert Dollar (ich bitte Sie!) werden niemandem untergeschoben! Wer sollte etwas derart Idiotisches tun? – Und an Nikanor Iwanowitsch gewandt, fügte er vorwurfsvoll und traurig hinzu: – Muss sagen, bin ganz schön enttäuscht von Ihnen, verehrter Nikanor Iwanowitsch! Dabei habe ich so auf Sie gezählt. Tja, unsre Nummer ist durchgefallen.
Die Menge reagierte mit Gepfiff, welches offenbar Nikanor Iwanowitsch galt.
– Ein Devisenhändler, wie er im Buch steht! –, schrie es im Saal. – Und wegen so etwas werden am Ende auch wir fälschlicherweise beschuldigt!
– Aber seien Sie nicht zu hart zu ihm –, bat der Ansager gnädig, – er wird sich noch bessern! – Dann sah er mit blauen tränenerfüllten Augen Nikanor Iwanowitsch an und sagte zuletzt: – Nun gehen Sie schon, Nikanor Iwanowitsch, gehen Sie auf Ihren Platz zurück.
Daraufhin brachte der Künstler das Glöckchen zum Klingeln und rief aus:
– Und jetzt macht, dass ihr in die Pause kommt, elende Saubande!
Der schwer beeindruckte Nikanor Iwanowitsch, unwillkürlich Teil einer Vorstellung geworden, landete wieder auf seinem Platz am Boden. Da träumte er, dass der gesamte Saal in vollkommener Finsternis verschwand, während an den Wänden rote Aufschriften aufleuchteten: »Vergiss nicht, Devisen abzugeben!« Dann ging der Vorhang erneut auf und der Artist sagte:
– Begrüßen wir nun Sergej Gerhardowitsch Dunchill.
Dunchill erwies sich als ein gut aussehender, aber stark verwahrloster Herr von ungefähr fünfzig Jahren.
– Sergej Gerhardowitsch –, redete ihn der Künstler an, – jetzt sitzen Sie hier seit anderthalb Monaten und weigern sich hartnäckig, die bei Ihnen verbliebenen Devisen abzuliefern, die das Land so dringend benötigt, während Sie selbst damit gar nichts anfangen können. Dennoch geben Sie keinen Deut nach. Ich meine, Sie sind ein intelligenter Mensch, Sie verstehen den Ernst der Lage. Und wollen trotzdem nicht kooperieren?
– Leider sind meine Möglichkeiten erschöpft, denn ich habe keine Devisen mehr –, antwortete Dunchill gelassen.
– Wie wäre es denn mit Diamanten? –, erkundigte sich der Artist.
– Ich habe auch keine Diamanten.
Der Ansager ließ
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