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Melina und die vergessene Magie

Melina und die vergessene Magie

Titel: Melina und die vergessene Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mittag
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hockte der fürchterlichste Vogel, den Melina je gesehen hatte. Sein dunkles Gefieder ähnelte erkalteter Lava, und tief darunter verliefen orange glühende Linien. Seine Augen funkelten böse, fand Melina, und sein Schnabel war lang und spitz.
    »Er wird uns nach oben tragen«, erklärte Lianna. »Keine Sorge, er hat den Befehl, mir zu gehorchen.«
    Ihre wohlmeinenden Worte beruhigten Melina keineswegs.
    Als das Tier sich in die Luft erhob, hielt Melina den Atem an und klammerte sich so fest, dass sie fürchtete, dem Vogel seine Federn auszureißen. Nicht dass es ihr um den Vogel leidgetan hätte, doch das Gefieder war ihr einziger Halt.
    »Und du bist wirklich sicher, dass der Schutzwall des Turms uns nicht abblockt?«, fragte Melina gegen den Wind. »Erel meinte, dass nichts Magisches von außen eindringen kann.«
    Lianna wandte sich um. »Dieser Feuervogel ist aus Salius’ Magie entstanden. Die wehrt der Turm nicht ab.«
    Auf den Stufen der Außentreppe angekommen fühlte Melina sich nicht wesentlich sicherer. Aber es gab kein Zurück. Der Feuervogel drehte ab, und Lianna führte Melina nach drinnen.
    »Du hast vorhin gesagt, dass wir etwas suchen müssen.«
    Melina nickte. »In Salius’ Räumen. Kennst du dich da aus?«
    Lianna hob die Augenbrauen. »Ich hätte es nie gewagt, seine Kammern zu betreten. Aber wenn es der einzige Weg ist, dann sollten wir es jetzt versuchen. Ich höre seine Stimme. Er ist in Morzenas Turmzimmer.«
    Der Weg führte über eine Innentreppe ein Stockwerk tiefer. Beim Laufen erzählte Melina Lianna von der Krone.
    »Verstehst du genug von Magie, dass du dein eigenes Kyee darüberlegen könntest?«, fragte Melina hoffnungsvoll. »Dann würdest du alle Zauberer beherrschen – einschließlich Salius!«
    Lianna schüttelte den Kopf. »Ich habe mit meiner Lehre nicht mal begonnen«, gab sie betreten zu.
    Sie deutete auf eine Tür, und Melina öffnete sie. Erstaunlicherweise war sie nicht verschlossen.
    »Im Turm gibt es niemanden, der es wagen würde, hier einzudringen«, bemerkte Lianna und ging voraus. »Ich glaube, selbst Morzena hat Angst vor ihm.«
    Die Einrichtung ähnelte der in Salius’ Haus: dunkles Holz, viele Bücher, endlose Regale mit Glasbehältern voll bunter Flüssigkeiten und ein Stück weiter einige Käfige mit sonderbarem Getier. In einem Aquarium ohne Wasser lag etwas, das Melina zwar noch nie gesehen hatte, das aber genau Tanns und Erels Beschreibung der Krone entsprach: eine Ansammlung von schillernden Blasen, eingefasst von einer durchsichtigen Schicht, die Melina an eine große Seifenblase erinnerte. Melina nahm sie in beide Hände und winkte Lianna zu. Die hatte sich das dunkle Tuch, das sie zum Magiekugelsammeln benutzt hatte, um ihre Taille gebunden. Nun breitete sie es auf dem Tisch aus und half Melina, die Krone aus Kyee hineinzulegen.
    »Und jetzt?«
    Melina schob Lianna eilig zur Tür.
    »Schnell! Tann glaubt, dass Salius es spürt, wenn jemand das Ding anfasst. Du musst die Kyee-Krone irgendwo verstecken. Am besten sagst du mir nicht wo, dann kann ich es auch nicht verraten. Mal sehen, wie viel sie Salius wert ist.«
    Lianna wurde blass. »Du willst doch nicht Salius gegenübertreten? Und ihm
drohen
? Ist das dein Plan?«
    Melina, die inzwischen mit Lianna vor der Außentreppe stand, drängte Lianna hinaus.
    »Beeil dich!«, zischte sie und schloss die Tür. In Gedanken fügte sie hinzu: Welcher Plan?
    Als sie sich umwandte, stand jemand vor ihr. So nah wirkte er größer, als Melina es erwartet hatte, und trotz seiner grauen Haare wirkte er nicht alt. Sein Gesicht war verzerrt vor Wut, als er ihren Arm umfasste und schmerzhaft zudrückte.
    »Wer bist du?«, fragte er mit einem Ton, der Melina einschüchterte. »Und wo ist die Krone?«
    Ihm in die Augen zu sehen kostete sie unendliche Überwindung. Melina versuchte sich in Erinnerung zu rufen, dass Salius’ Magie ihr nichts mehr anhaben konnte. Allerdings konnte der Zauberer sie immer noch zur Tür hinaus und in den Abgrund stürzen, ganz ohne Magie. Und er sah so aus, als würde ihm das gefallen.
    »Salius?« Eine Frau mit dunklen Haaren stand am oberen Ende der letzten Treppe. Sie war jung, vielleicht knapp über zwanzig, hatte eine schlanke Figur und war ganz in schwarzes Leder gekleidet. »Wer ist das? Nun, bring sie erst mal zu mir!«
    Sie ging voraus ins Turmzimmer, während Salius Melina auf der Treppe festhielt, mit einem Griff wie eine Eisenklammer. Wütend, aber sehr leise knurrte er: »Sag mir

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