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Melli - einmal blinzeln und von vorn

Melli - einmal blinzeln und von vorn

Titel: Melli - einmal blinzeln und von vorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Doerr
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morgen.«
    Â»Welches Thema. Meinen Sie, dass ihre Alte erst jetzt einen Mann gefunden hat? Oder soll ich lieber ...«
    Â»Drei Seiten«, erklärte Frau Eibisch, ohne mit der Wimper zu zucken. »Das zählt zur mündlichen Note.«
    Als Melli mit zusammengekniffenen Lippen Loras zugleich empörten und mitfühlenden Blick auffing, tat ihr das gut. Noch nie war Melli geärgert worden, weil ihr Vater nicht bei ihr wohnte. Viele ihrer Mitschüler wuchsen in bunt zusammengewürfelten Familien auf. Dass sie ihren Vater allerdings nicht einmal kannte, wussten nur Pia und Lora und die sprachen nicht darüber. Das gehörte zur Familienehre. Adines Angriff kam völlig unerwartet und Melli fiel nichts Passenderes darauf ein, als sie zu ignorieren und mit hochroten Ohren stocksteif auf ihrem Stuhl zu sitzen.
    Â»Nachdem wir das geklärt haben – herzlichen Glückwunsch, Melissa. Es war bestimmt ein schönes Fest«, lenkte Frau Eibisch ab. Melli nickte langsam. »Trotzdem kann ich darauf keine Rücksicht nehmen. Also? Jacob, du gehörst zu Gruppe A, Lisa zu Gruppe B und so fort. Habt ihr eure Vokabelhefte? Dann kann es ja losgehen.«
    Melli wurde blass. Sie schickte einen Hilfe suchenden Blick zu Lora, die unangefochtene Queen in Englisch, während Pia und die Jungs herumkrebsten wie sie selbst. Der Lern-Quickie im Bus war verpufft, das spürte sie bis in ihren kleinen Zeh. Lora zuckte nur mit den Schultern und schob ihr einen Zimtkaugummi zu. Na ja, besser als gar nichts, dachte Melli. Zimtkaugummis waren die Geheimwaffe gegen alles Übel dieser Welt. Kauen war zwar verboten, aber hier handelte es sich eindeutig um einen Notfall. Sie nahm sich gleich zwei, weil es sich um eine besonders schlimme Ausnahmesituation handelte, und wartete auf das drohende Unheil.
    Erstes Wort »Unfall«, na, das passte und war total einfach, accident – geschafft. Melli seufzte erleichtert. Doch die nächsten drei Vokabeln hatte sie noch nie in ihrem Leben gehört, da war sie sich absolut sicher. Eine fiese Falle von Frau Eibisch. Nur was für Hirnakrobaten wie Lora, die eifrig auf ihr Blatt kritzelte. Bevor sich die Panik in ihr breitmachen konnte, tat Melli so, als hätte sie eine Idee und nicht ein völliges Vakuum im Kopf und malte eifrig kleine Ameisen auf ihr Blatt. Frau Eibisch ließ sich Zeit mit dem fünften Wort. Sie schien sogar zu gähnen, wie unhöflich.
    Nach ein paar Sekunden sah Melli irritiert auf. Niemand rührte sich. Keiner schrieb. Wie von einer Hornisse gestochen sprang sie hoch. Um sie herum war mal wieder Eiszeit. Jetzt oder nie. Keine Zeit, einen Gedanken an das Wie oder Warum zu verschwenden. Wenn sie schnell genug war, hatte sie die einmalige Chance, heil aus diesem Schlamassel herauszukommen.
    Sie schnappte sich ihr Heft, stürzte nach vorn, sprang über Marios ausgebreitete Beine, dessen Blick am Blatt seines Nachbarn kleben geblieben war, nahm die Abkürzung über das vorderste Pult und gelangte zu Frau Eibisch, die immer noch herzhaft gähnend Emma in der letzten Reihe studierte. In Windeseile hatte Melli die restlichen fünf Worte und die korrekten Übersetzungen von Frau Eibischs Zettel abgeschrieben. Schön sah es nicht aus, aber sie würde später ein wenig nachbessern.
    Noch immer rührte sich niemand. Sollte sie es wagen, für Pia die Lösungen der anderen Gruppe …? Schon erledigt. Jacob sah auch nicht gerade glücklich aus, wie er auf seinem Stift herumbiss. Sie schrieb ihm die fehlenden Lösungen mit krakeliger Schrift direkt ins Heft. Mutiger geworden, ging sie durch die Reihen und schaute, wo sie noch helfen konnte. Bei Lora war natürlich alles richtig, doch ihr Nachbar hatte nicht einmal Unfall gewusst. Mit Genugtuung registrierte Melli, dass Adines Blatt blütenweiß und unberührt war. Ihr würde sie im Leben nicht helfen, aber Konsti, der war eigentlich ganz nett … Gerade als sie das t von accident fertig in sein Heft geschmiert hatte – er hatte eine wirklich fürchterliche Schrift –, hörte sie ein Geräusch. Mario war der Füller aus der Hand gefallen und rollte nun auf dem Boden herum. Die Eiszeit war vorbei. Schnell zurück! Panisch jagte sie zwischen Tischen und Beinen hindurch und warf sich auf ihren Stuhl. Ihr Herz klopfte wie verrückt, als sie an ihrem Platz saß. Glück gehabt. Frau Eibisch sprach das fünfte Wort fertig, als

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