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Melli - einmal blinzeln und von vorn

Melli - einmal blinzeln und von vorn

Titel: Melli - einmal blinzeln und von vorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Doerr
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Lockenmähne umgab ihr bronzefarbenes Gesicht und die dunklen Augen wie ein geheimnisvoller Vorhang. Trug sie einen Haarknoten, hätte sie glatt als Filmdiva durchgehen können. Fehlte nur noch der rote Teppich. Ricarda sah einfach deprimierend perfekt aus, dass ihr bloßer Anblick Melli die Tränen in die Augen hätte treiben können – wenn das ihr Ding gewesen wäre. So begnügte sie sich damit, Ricarda mit Augenpfeilen zu erdolchen und Leon aus der Ferne anzuschmachten.
    Endlich ordnete sich das Chaos und der Chor fand zusammen. In letzter Sekunde drängte sich Pia an ihren Platz. Ohne Adine. Auf Mellis fragend hochgezogene Augenbrauen zuckte sie nur gleichgültig mit den Schultern. Vielleicht bestand noch Hoffnung und sie hatte sich noch nicht völlig in Adines Netz verstrickt?
    Sie sangen sich ein wenig ein, während Leon, Ricarda und die anderen wichtigen Darsteller in einem Nebenraum probten.
    Â»Klappt schon ganz gut, oder?«, flüsterte Lora Melli zwischen zwei Stücken zu.
    Â»Klingt prima«, flüsterte Melli zurück, »ich glaube …«
    Â»Melissa! Mir scheint, du bist nicht ausgelastet. Was sagst du zu einer zusätzlichen kleinen Soloeinlage? Komm nach vorne und sing mir mal bitte nach …« Das war Herr Wender. Melli schoss das Blut in die Wangen. Sie? Sie sollte nach vorne kommen und ein Solo singen? Jetzt, hier in dieser Szene? Das hieß, dass sie unmittelbar Leon gegenüberstehen würde, er würde sie ansehen. Er würde bemerken, dass es sie gab. Er würde, nein, er musste sie zur Kenntnis nehmen. Nun ja, es war ein einziger gesungener Satz, aber immerhin. Fast so toll wie ihr kleiner Tanzauftritt, nur dass es sich dabei um eine Szene ohne Leon handelte.
    Â»Na los, mach schon!« Lora stupste sie an und machte ihr den Weg frei. Dankbar drückte Melli ihren Arm. Lora war wirklich eine tolle Freundin. Anstatt neidisch zu sein, dass Melli diese Chance bekam und nicht sie selbst, freute sie sich für Melli. Herr Wender stimmte schon die vorangegangene Melodie an und landete schließlich bei der Zeile, die Melli singen sollte. Zwergenzeile traf es besser. Egal. Sie hastete nach vorn.
    Â»Melissa, jetzt brauchst du nicht mehr zu flüstern, jetzt kannst du loslegen. Zwei, drei, vier …«
    Melli keuchte mehr, als dass sie sang. Das Kitzeln in der Nase, das sie schon den ganzen Nachmittag quälte, breitete sich noch mehr aus. Sie nieste herzhaft, hinter ihr war bereits Gekicher und Tuscheln zu hören.
    Â»Soll ich, Herr Wender? Meine Stimme ist in allen Lagen sicher«, durchbrach eine barsche Stimme das Getuschel. Adine! Melli fuhr herum. Erst zu spät kommen, dann den großen Auftritt hinlegen. Das war doch nicht zu fassen! Und jetzt wollte sie ihr die Rolle stehlen? Das war richtig mies. Sie schluckte ihre Nervosität herunter und riss sich zusammen. »Ich probier’s noch mal, ich war nur ein bisschen aufgeregt, Herr Wender.«
    Der nickte. »Ist gut, Melissa. Wir fangen ganz von vorne an, dann nach vier Takten dein Einsatz …«
    Er hieb in die Tasten, als gelte es, ein Wildschwein zu erlegen. Es war eine Szene voller Eifersucht und Zorn. Und Melli war absolut zornig und wenn sie ehrlich war, auch eifersüchtig. Auf Ricarda. Und auf Adine, die in dieser Szene bestimmt eine tolle Figur machen würde. Sie legte los. Volle Kanne. In diese eine kurze Zeile steckte sie alles, was sie in diesem Augenblick empfand. Verblüfft setzte Herr Wender den Schlussakkord.
    Â»Hervorragend, Melissa. Ganz ausgezeichnet. Genau mit diesen Emotionen musst du da ran. Ricarda zeigt dir dann, wo du stehen wirst, also, wirklich hervorragend.«
    Melli ging mit leuchtendem Kopf in ihre Reihe zurück. Lora und Pia klopften ihr auf die Schulter. Besonders über Pias Lob freute sie sich, denn ein wenig fröstelig war die Stimmung zwischen ihnen schon geworden, und Melli wertete es als gutes Zeichen, dass sie nicht Adine unterstützte. Warum sie ihre neue Freundin gleich zur Probe mitgebracht hatte, verstand Melli allerdings nicht. Ihr Blick fiel auf Adine, die sich mit hartem Gesicht vor Herrn Wenders Klavier aufgebaut hatte.
    Â»Und ich? Ich kann das auch!«, verlangte sie.
    Â»Adine. Jeder, der neu ist, bewährt sich erst einmal im Chor. Ich weiß, dass du über eine gewisse Ausbildung und eine gute Stimme verfügst, das tun aber die meisten hier. Ich brauche einen soliden Chor, nicht nur

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