Melli - einmal blinzeln und von vorn
unaufhaltsam in die Küche zog.
»Aber ja, Schatz, ich bin ihr wahnsinnig dankbar, dass sie sich um dich kümmert. Aber sie macht es ja gerne, nicht wahr? Ich schicke dir tausend GrüÃe und Jason habe ich mal deine E-Mail-Adresse, Handynummer und dieses ganze soziale Netzwerk-Trallala durchgegeben, bin gespannt, ob er sich bald bei dir meldet. Bis bald.« Bevor Melli ein entgeistertes »Bist du von Sinnen! Das hast du nicht wirklich getan!« in den Hörer brüllen konnte, war die Verbindung unterbrochen. Nicht einmal einen ordentlichen Abschiedsgruà hatte sie loswerden können. So eine Mistigkeit! Verdutzt betrachtete sie das Telefon. Einfach ihre Kontaktdaten weiterzugeben, ohne zu fragen, war ja ein starkes Stück. Dabei riet ihr Pam immer zur Vorsicht. Wer kannte Jason schon so genau. Nachher war er irgendein perverser Fiesling, der Schweinereinen im Netz verbreitete. Doch es war zu spät. Wenn ihre Mutter auf einer derart monströsen Begeisterungswelle schwamm, war sie nicht zu halten. Wieder strich ihr der Chili-Duft um die Nase. Na gut. Wenigstens den Appetit wollte sie sich nicht verderben lassen. Hoffentlich war noch genügend für sie übrig. Sie stellte das Telefon auf die Ladestation und sauste in die Küche.
Mitten auf dem Tisch thronte der Topf, dessen Inhalt schon beängstigend geschrumpft war. Wie gut, dass Christof erst heute Abend kommen würde und sich mit einer von Kira gesicherten Sparportion zufriedengeben musste. Pia und Lora hatten ihre Teller schon fast leer.
»Na endlich. Wie geht es Pam?« Kira schaute fragend von ihrem Teller auf. Kurz berichtete Melli die wesentlichen Fakten, während sie sich über ihren Teller hermachte. Nur die unzumutbaren Jason-Schwärmereien ihrer Mutter verschwieg sie vorerst. Sie würde sich später mit Pia und Lora Gedanken darüber machen müssen, welchen Empfang sie diesem Jason bereiteten. Sicher kam er in den nächsten Ferien zu Besuch. Und wenn er ihr wirklich schrieb? Wie peinlich wäre das denn! Was bitte sollte sie einem wildfremden Jungen antworten? Oder wenn er ein Foto sehen wollte! Welches sollte sie schicken? Im Netz verwendete sie keine Fotos von sich, das hatte Pam nicht erlaubt. Deshalb hatte sie als Profilbild ein süÃes Foto von Nitro eingebaut und auch in ihrer Chronik waren nur einige Nitro-Schnappschüsse zu sehen. Oder hatte Pam ihm etwa schon das unsägliche Foto von Mellis Einschulung gezeigt, das sie in ihrem Portemonnaie bei sich trug und so niedlich fand? Melli begann zu schwitzen und ein bisschen schwindelig wurde ihr auch, als sie darüber nachdachte. Kiras Chili heizte ihr zusätzlich ordentlich ein.
»Superlecker«, hauchte sie artig zwischen zwei Löffeln, bekam jedoch keine Antwort. Ãberhaupt war es wieder einmal auffällig still. Melli sah auf und stutzte. Sie war allein! Wohin waren die anderen denn plötzlich verschwunden? Augenblickliches Einfrieren oder Schneckentempobewegungen war sie ja bereits von ihrer Familie gewohnt, aber dass Kira und ihre Cousinen einfach weg waren, fand sie ganz und gar nicht lustig.
Sie sprang auf und eilte zum Fenster. Wo war Kiras Auto? Und Pias und Loras Fahrräder? Die konnte man von hier aus doch immer sehen! Wieso waren auch die plötzlich verschwunden? Noch etwas war komisch. Die Blätter der Bäume hatten eine satte, spätsommerliche Farbe und wurden von einem heftigen Wind von den Bäumen gefegt. Ein zerzaustes Mädchen kämpfte mit seinem Pferdchenschirm gegen eine Windböe, alles sah nach einem heftigen Gewitter aus. Das war keine einfache Eiszeit. Hier war etwas anderes geschehen.
Sie beobachtete, wie Finchen, die heiÃgeliebte und grenzenlos verwöhnte Nachbarskatze, die StraÃe überquerte, es sich dann anders überlegte, sich mitten auf der Fahrbahn niederlieà und begann, hingebungsvoll ihr Hinterteil zu putzen. Moment. Finchen! Melli erstarrte. Nicht das Putzen des Hinterteils schockierte sie, sondern die Tatsache, dass Nitros Erzfeindin bereits letzten Sommer quasi vor ihrer Haustür überfahren worden war. Seitdem langweilte sich Nitro halb tot und sang nächtelang sehnsuchtsvolle Lieder unter dem Fenster ihrer Nachbarin. Melli schüttelte sich kurz. Bedeutete das, sie befand sich in der Vergangenheit? Mit einem schnellen Blick an sich hinunter vergewisserte sie sich, dass sie ihre eigentliche GröÃe beibehalten hatte und nicht zum
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