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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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fortzufahren mit einer Art höhnischem Grinsen, als nähme er solche Unstimmigkeit nicht ernst. Dies fortgesetzte Bezugnehmen auf längst verschollene Begebenheiten und längst begrabene Personen übte auf mich einen Eindruck, den ich nicht zu beschreiben vermag. Dabei war seine Konversation überaus abwechslungsreich und gescheit, allein, sie war durchsetzt mit den beständig wiederholten Erwähnungen von Toten, so daß mein Gefühl, ich hätte es hier mit einem Gesprächspartner zu tun, der selber schon zu jenen Toten zählte, als entschuldbar erscheinen mag. Besonders liebte er es, sich in anekdotischen Einzelheiten der Historie zu ergehen, und ich, der ich in derlei Dingen so gar nicht bewandert war, lauschte ihm mit einem echten Entzücken, weil er alles mit der farbigen Wirklichkeit des veritablen Augenzeugen zu berichten wußte. Er erzählte von der Restauration in England und wiederholte mir die wohlüberlieferte Bemerkung der Königinmutter Henriette von Frankreich, daß sie, hätte sie die Engländer schon bei ihrer ersten Ankunft auf der Insel so gut gekannt wie bei ihrer zweiten, nimmermehr vom Thron vertrieben worden wäre. Dann aber fügte er zu meiner größten Verwunderung hinzu: ›Ich stand damals unmittelbar neben ihrer Kutsche [4] , es war die einzige, welche es zu jener Zeit in London gab .‹ Im weiteren Verlauf kam er dann auf die rauschenden Feste zu sprechen, welche Ludwig XIV. gegeben, und beschrieb mir in diesem Zusammenhang mit der bestürzendsten Genauigkeit jenen wunderbaren Sonnenwagen, darauf der König den Gott des Lichtes verkörpert hatte, während all die adligen Kuppler, Hofschranzen und Huren als ein Abschaum des Olymp in seinem Gefolge einherkutschierten. Dann wiederum verweilte mein Besucher sich beim Tode der Herzogin von Orleans und Schwester des Zweiten Karl, wobei er des Paters Bourdalone erhebender Totenpredigt gedachte, welche derselbe an der Bahre dieser königlichen (vermutlich an einem Gift verstorbenen)Schönheit gehalten, und setzte hinzu: ›Ich erblickte die Berge von Rosen, mit welchen sie ihre Robe besteckt hatte, um für den Ball gehörig geschmückt zu sein, der auf den nämlichen Abend festgesetzt gewesen, und gleich daneben standen das Ziborium, die Wachskerzen und das Heilige Öl, bedeckt wie von einem Leichentuch durch das Spitzenwerk eben jener Robe.‹ Danach wandte er sich zum andern Male England zu und sprach von dem unwürdigen, tadelnswerten Hochmut der Gemahlin Jacobs des Zweiten, welche es ›für verächtlich‹ gehalten hatte, mit einem irischen Offizier bei Tisch zu sitzen, der ihrem Gemahl (damals noch Herzog von York) erzählt hatte, er selbst habe als ein Offizier in österreichischen Diensten zu Tisch gesessen , während der Vater der Herzogin (der Herzog von Modena) als ein Vasall des Deutschen Kaisers hinter dessen Stuhl habe stehen müssen.
    Dies waren freilich Lappalien, die jeder hätte erzählen können, doch zeichneten sich solche Schilderungen durch eine bis ins Detail gehende Genauigkeit und Umständlichkeit aus, welche immer wieder den Eindruck erweckte, der Erzähler habe alles mit eigenen Augen gesehen und mit jeder der von ihm erwähnten Personen gesprochen.
    Ich muß indes gestehen, daß mein Vergnügen an diesen Geschichten wesentlich beeinträchtigt wurde durch das sonderbare Unbehagen, welches die Gegenwart wie die Konversation dieses Erzählers mir einflößten. Dennoch: war er gegangen, so vermißte ich ihn trotz der unerklärlichen Angst, die ich in seiner Gegenwart empfand.
    Wenige Tage später sollte mein zweites Verhör stattfinden. Am Vorabend desselben suchte mich einer der Offizialen in meinem Gelaß auf. Es sind dies keine gewöhnlichen Gefängnisbeamten, sondern von der Heiligen Inquisition mit erweiterter Machtbefugnis ausgestattete Männer. Zunächst wurde mir kurz und bündig mitgeteilt, in der letzten Zeit habe sich im Hause etwas Störendes, Beunruhigendes bemerkbar gemacht, etwas, das es innerhalb des Gemäuers der Heiligen Inquisition bislang noch nie gegeben. Man sage, daß eine menschliche Gestalt in die Zellen einiger Gefangener eingedrungen sei und dort Äußerungen getan habe, welche nicht nur gegen die Heilige Katholische Religion und den Strafvollzug der Allerheiligsten Inquisition gerichtet gewesen, sondern gegen alle Religion überhaupt, gegen den Glauben an Gott und ein Ewiges Leben. Und, so fügte der Sprecher hinzu, auch die äußerste Wachsamkeit der Offizialen, welche beständig auf der Lauer

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