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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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sein, nicht einmal besorgt, sondern nur schläfrig. Es ist, als spiele diese Meuterei der Musiker verglichen mit seinem Herzeleid keine allzu große Rolle. Violaspieler und Lautenisten kann man ersetzen, Kirsten nicht.
    Peter Claire schweigt einen Augenblick und wägt dann seine Worte sorgfältig ab: »Musikmeister Ingemann hat einmal zu mir gesagt, daß die Kälte im Keller den Italienern mehr ausmacht als den anderen, weil ihr Blut nicht daran gewöhnt ist. Vielleicht habt Ihr dafür ein wenig Verständnis? Es geht nur darum, Sir. Sie befürchten, krank zu werden, wenn es Winter wird …«
    König Christian ist mit Silberwiegen beschäftigt, genau wie in jener Nacht von Peter Claires Ankunft auf Rosenborg. Die Waagen selbst sind sehr schön, und König Christian besitzt drei Sätze von Gewichten in Mark, Lod und Quintal. Das kleinste Gewicht, sagt er, kann sogar so wenig wie ein Gramm messen. Christian handhabt die Geräte trotz seiner großen, von der Jagd rauhen Hände mit überraschendem Feingefühl. »Und was ist mit Euch?« fragt er nun. »Habt Ihr Eure heilige Vertrauensstellung bei mir vergessen? Engel sollten nicht meutern!«
    Peter Claire erwidert, daß er diese nicht vergessen habe und ihm die Kälte im Keller nichts ausmache. Er sehe bloß, wie die anderen im Orchester zu leiden begännen.
    Das Gesicht des Königs ist ausdruckslos. Diese Ausdruckslosigkeit besagt: Das Wort leiden ist zu stark, um die übliche Kühle in den Gewölben zu beschreiben. Der König leidet, die Armen im Land leiden, Dänemarks Ruf leidet unter seinem Abstieg in Schulden und Armut! Doch was diese nörglerischen Musiker beschreiben, ist lediglich Unbehagen , und sie sollten nicht so tun, als ob es anders sei.
    Dann legt er aber die Gewichte beiseite und sagt: »Monsieur Descartes sagt uns, wie Ihr mir einst in Erinnerung gerufen habt, daß wir, wenn wir nicht mehr weiterwissen, versuchen sollten, komplizierte Aussagen auf einfache zurückzuführen und uns dann wieder Stufe um Stufe vom Einfachen zum Komplizierten hochzuarbeiten. Glaubt Ihr noch an diese Methode, Mr. Claire?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Doch wie sollen wir das anwenden, wenn es um Gefühle geht? Beim Bau eines Walfängers könnte ich so vorgehen. Von Schiffen verstehe ich etwas. Doch die Liebe ist mir unbegreiflich. Denn in der Liebe gibt es nichts, was man mit Sicherheit wissen kann.«
    »Stellt Euch die Liebe als Walfänger vor«, erwidert Peter Claire. »Um ihn stabil zu bauen, würdet Ihr mit einem stabilen Rumpf beginnen. Fragt Euch nun, ob der Rumpf Eurer Liebe stark war.«
    Der König sieht den Lautenspieler aufmerksam an. Ihm fällt wieder ein, wie er Kirsten Munk zum erstenmal in einem rostfarbenen Kleid in einer Kirchenbank sah. Er lächelt flüchtig, als er erwidert: »Nein. Ich glaubte einmal, der ›Rumpf‹ wäre stark. Doch nun glaube ich, daß er auf einer Phantasie, einer Einbildung beruhte.«
    »Auch die Phantasie kann den Entwurf eines prachtvollen Schiffes hervorbringen …«
    Das Lächeln kehrt zurück und verschwindet wieder. Es verschwindet und kehrt zurück. »Das stimmt! Doch danach müssen mathematische Berechnungen einsetzen. Dann muß das Wissen um künftiges Gewicht und zu erwartende Belastungen dazukommen, so daß das Schiff der Phantasie auf dem Meer bleibt und nicht untergeht.«
    »Und in Liebesangelegenheiten sind das künftige Gewicht und die zu erwartenden Belastungen anfangs unbekannt?«
    »So ist es. Sie sind unbekannt – in allen Fällen.«
    »Doch schließlich kennt man sie. Dann kann man neue Berechnungen anstellen und das Schiff, falls erforderlich, anpassen.«
    »Oder verschrotten. Oder versenken.«
    »Ja. Wenn man feststellt, daß der ursprüngliche Entwurf von Grund auf falsch ist.«
    »Ja. Wenn er am Ende von Grund auf falsch ist …«
    »Und so ist man, wenn man dies entdeckt, doch noch vom Unwissen zum Wissen gelangt.«
    Der König schweigt einen Augenblick. Dann steht er auf und sieht aus dem Fenster, wo ein abnehmender Mond dünn und kalt am Himmel steht. Er blickt diesen lange an, dann dreht er sich um und meint: »Sagt Jens Ingemann und den Musikern, daß die Meuterei keine Bedeutung mehr hat. Das Orchester wird in diesem Winter nicht im Keller sein, weil ich mich entschlossen habe, nach Frederiksborg zurückzukehren. Dort gibt es keine magische Musik und wird es auch nie eine geben.
    All dies«, und dabei deutet der König auf seine Umgebung – das Zimmer, seine Porträts und Andenken an Kirsten, den in der

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