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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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auszuhecken, und enorme Kosten verursacht – die Kleider, der Schreibunterricht und die Zähne –, und wir haben sogar, möchte ich sagen, beide darunter gelitten, und …«
    »Ich weiß«, erwidert Vibeke, »würde es aber lieber nicht mehr wissen.«
    »Wie merkwürdig du bist! Es hat sicher noch nie einen so wunderbar geschmiedeten und so herrlich verwirklichten Plan …«
    »Bitte hört auf!« ruft Vibeke. »Bitte tut, worum ich Euch bitte, und erwähnt nie wieder etwas, was an Listigkeit und Berechnung denken läßt. Denn wenn es dies vielleicht auch am Anfang war, so wird es doch nicht so fortgeführt. Ich könnte es nicht ertragen, wenn der König unser Komplott aufdecken würde.«
    Ellen geht näher an Vibeke heran und flüstert: »Es hängt von dir ab, ob er es aufdeckt oder nicht. Es hängt davon ab, wie gut du deine Rolle spielst, Vibeke!«
    Bei dieser Bemerkung tropft eine Träne aus Vibekes runden blauen Augen und kullert die Wange hinunter. »Es ist keine Rolle «, sagt sie traurig. »Ich dachte, es würde eine sein, habe mich aber geirrt.« Sie hält sich das Hemd des Königs ans Gesicht. »Er ist so gut zu mir, und ich weiß, daß ich ihn glücklich mache, nach allem, was er mit Eurer Tochter durchgemacht hat. Und ich würde alles für ihn tun, alles auf der Welt …«
    Ellen schweigt einen Augenblick und sieht, wie noch mehr Tränen Vibekes Wangen hinunterkullern und mit dem Nachthemd abgewischt werden. Dann fängt sie zu lachen an. »Nun, nun, also wirklich, Vibeke, ich weiß nicht recht, was ich da sagen soll!«
    »Dann sagt nichts!« ruft Vibeke leidenschaftlich. »Es ist nicht nötig!«

    Ellen lächelt noch in sich hinein, als sie sich von König Christian verabschiedet und ihrem Kutscher sagt, er solle sie nach Kronborg fahren.
    Obwohl Königinwitwe Sofie Kirsten immer verabscheut hat oder vielleicht auch, weil sie und Ellen Marsvin beide Kirsten verabscheuen und außerdem immer darin einer Meinung waren, daß der König geführt werden muß, wenn das Leben der Frauen erträglich sein soll, betrachtet sie die jüngere Frau immer noch als wichtige Verbündete. Daher geht die Königin, als diese ihr auf Kronborg angekündigt wird, zu ihr hinunter und begrüßt sie herzlich.
    Der Samowar wird gebracht, und die schweren Vorhänge werden zugezogen, weil allmählich schon die Dunkelheit hereinbricht. Die beiden Frauen sitzen zusammen, lauschen auf das Prusten und Gurgeln des Samowars und amüsieren sich, indem sie Zitronen zu Halbmonden und Sternen schneiden und sie auf ihrem Tee schwimmen lassen.
    Die Diener werden fortgeschickt, und Ellen erzählt von der wunderbaren Geschichte ihres Plans. Sie beginnt dabei ganz von vorn, mit dem Tag, an dem sie sich entschloß, Vibeke in ihren Haushalt auf Boller aufzunehmen, und endet mit dem, was sie gerade von Vibeke selbst zum Thema Hingabe gehört hat.
    Königin Sofie hört aufmerksam zu, gratuliert Ellen ab und zu, so zum Beispiel, »daß sie die Bedeutung kleiner Dinge wie der Kalligraphie so gut begriffen« hat, gießt sich schließlich, als die Geschichte zu Ende ist, noch einmal Tee ein und sagt: »Nun werden sich die Dinge bei meinem Sohn endlich zum Besseren wenden, Fru Marsvin. Das spüre ich. Und ich werde in Frieden gelassen. Ich kann Euch nicht sagen, wie mich das beruhigt! Es war nämlich in letzter Zeit recht schwierig, weil der König Soldaten geschickt hat und auch selbst gekommen ist, um meine Gewölbe zu durchsuchen. Natürlich ist dort nichts! Irgend jemand hat jedoch einmal das Gerücht in die Welt gesetzt, ich häufe hier einen Schatz an …«
    »Ach ja!« wirft Ellen ein. »Vermutlich war das meine Tochter! Doch sie konnte noch nie zwischen Wahrheit und Unwahrheit unterscheiden, nicht einmal sich selbst gegenüber.«
    »Natürlich habe ich ein bißchen Gold, ein ganz kleines bißchen. Jede Frau sollte im Alter etwas haben … für Notfälle.«
    »Da stimme ich zu!« erwidert Ellen. »Wie klug Ihr seid!«
    »Ja, nicht wahr? Denn selbst als Mutter eines Königs, in dieser ruhelosen Zeit …«
    »Ja, sicher! Ausgesprochen klug! Und Ihr dürft nichts hergeben!«
    Dann stößt Ellen einen langen Seufzer aus, einen noch tieferen und traurigeren als der Samowar, und meint: »Wie Ihr wißt, Euer Hoheit, ist alles, was ich je besaß, auf Boller. Und nun hat mich meine Tochter aus meinem Heim vertrieben und meine Möbel und Bilder beschlagnahmt, so daß ich nun wirklich nicht weiß, was aus mir werden soll.«
    Königin Sofie macht einen

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