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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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sagen, sie ist eine volle Vorratskammer, ein paar schöne Kleider, die Rückkehr des Königs, Gesellschaft, Festlichkeiten und Musik unter den Sternen. Doch seit wann ist sie das alles?«
    Es erhebt sich Protestgeschrei. »Sie war all das!« beharren die Dorfbewohner vom Isfoss. »Es war die bedeutendste Zeit unseres Lebens. Und sie wird wiederkommen! Sie muß wiederkommen!«
    »Genau das habe ich auch gedacht«, erwidert Møller ruhig. »Ich habe jeden Tag darauf gewartet, daß die Mine aufs neue geöffnet wird. Doch das war falsch von mir. Wir hatten alle unrecht.«
    Die Menschen murren ärgerlich und fragen: »Was ist mit Alexander? Wenn er heute kräftig genug ist, um zur Kirche zu laufen, dann ist er morgen kräftig genug, um mit der Arbeit zu beginnen, und bis dahin ist es auch wärmer …«
    »Nein«, erklärt Møller. »Ich sage euch, daß Alexander das Menschenmögliche getan hat und zu mehr nicht fähig ist.«
    Die Leute rufen weiter, Alexander sei ihre letzte Hoffnung und Rotte Møller habe kein Recht, sie ihrer Hoffnung zu berauben.
    »Ich nehme mir das Recht!« antwortet Møller, noch immer ruhig und unbeeindruckt vom Geschrei. »Es ist grausam und eine Sünde, diesen Mann mit eurer Sehnsucht nach etwas, was er nicht übernehmen kann, zu belasten, und ich sage euch, wir werden diese Sünde nicht begehen.«
    Daraufhin herrscht unbehagliches Schweigen, als die Dorfbewohner, die Møllers Unnachgiebigkeit spüren, über das, was er gesagt hat, nachdenken. Sie murren: »Wovon spricht die kleine Ratte eigentlich?« – »Wer hat Rotte ermächtigt, über das Schicksal der Mine zu entscheiden?«
    Und dann rufen sie es ihm zu: »Mit welchem Recht vernichtet Ihr unseren Ehrgeiz? Ist es vom König verliehen? Ihr seid nur ein armer Pfarrer und um keinen Deut besser als wir!«
    »Darin stimme ich euch zu«, antwortet Møller. »Ich bin ganz gewiß nicht besser als ihr. Ja, ich habe sogar mehr Schuld als ihr. Ich war es ja, der dem König geschrieben hat. Vergeßt das nicht! Ohne mein Eingreifen würde die Mine im Herzen und in der Erinnerung eines jeden einzelnen schon langsam verblassen und allmählich alles wieder wie früher werden. Ich bitte euch um Entschuldigung, daß ich diese falsche Hoffnung genährt habe. Bitte verzeiht mir!«
    Als die Versammlung zu Ende geht, ist keine Übereinstimmung erzielt und kein Beschluß gefaßt worden. Alle sind auf Rotte Møller wütend, der zu seinem Haus oben auf dem Hügel zurückkehrt. Er kann nicht sagen, wie sehr oder wie lange er darunter zu leiden haben wird, weil er das verficht, was er jetzt für richtig hält. Er weiß nur, daß er sich in seinem Urteil nicht irrt. Und als er Alexander sieht, zwar noch am Leben, aber doch mit seinem ganzen, in seiner eigenen Sprache eingeschlossenen Entsetzen und Bedauern und so jeder wahren Freundschaft und jedes wirklichen Verstehens beraubt, sagt er zu ihm, er werde nicht nachgeben. Der Ingenieur könne in seinem Haus um sein Leben kämpfen oder sich zum Sterben entschließen, ganz so, wie er es wolle. Jedenfalls werde auf Erden nichts mehr von ihm verlangt.

»EIN BISSCHEN GOLD,
EIN GANZ KLEINES BISSCHEN …«
    Ellen Marsvin trifft die frühere Frau für den Körper bei einer häuslichen Tätigkeit an: Sie näht einen Riß im Nachthemd des Königs.
    »Vibeke«, seufzt Ellen, »du mußt dir jetzt wirklich abgewöhnen, dich für eine Serviteuse zu halten. Laß diese niedrige Arbeit doch von einer Waschfrau verrichten! Du sollst die Begleiterin des Königs und nicht seine Dienerin sein!«
    Vibeke nickt, legt das Hemd aber nicht beiseite, sondern breitet es nur auf dem Schoß aus und streichelt zärtlich das weiche Gewebe. »Es bereitet mir Vergnügen, das Hemd zu nähen«, sagt sie. »Also nähe ich es, und damit ist es erledigt.«
    »Nein«, erwidert Ellen ernst. »Damit ist es nicht erledigt. Denn wenn du Nachthemden flickst und dergleichen niedere Hausarbeit verrichtest, dauert es nicht lange, bis der König in dir wieder nur eine bloße Frau sieht, und das war nicht Zweck und Ziel des Plans.«
    Vibeke hält sich die Hand vor den Mund. »Fru Marsvin«, sagt sie, »bitte keine weiteren Anspielungen auf einen Plan! Denn wenn ich denke … wenn ich daran denke, daß … alles als bloßes Komplott angesehen werden könnte, dann schäme ich mich so …«
    »Was um Himmels willen meinst du, Vibeke?« fragt Ellen. »Du weißt doch nur zu gut, daß es genau das, nämlich ein Komplott, war. Und es hat bei Gott lange gebraucht, es

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