Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
Vom Netzwerk:
offenbaren, als er ihr mitteilen möchte.
    Er übt die Sätze ein: »Daisy, Liebste, vertrau mir, wenn ich dir sage, daß Peter seine Gründe dafür hat, nicht zur Hochzeit zu kommen. Daisy, Herzallerliebste, vertrau mir, wenn ich sage, daß ich als Mann gewisse Dinge, die Peter angehen, besser verstehe als du …« Er hofft, daß dies reicht und sie ihn nicht plagt, sondern die Angelegenheit auf sich beruhen läßt.

    Es ist früher Abend an dem Tag, an dem Charlotte auf Cookham eingetroffen ist. George ist zu dem Schluß gekommen, daß die Angelegenheit noch vor dem Abendessen angeschnitten werden muß, und klopft daher an Charlottes Zimmer, wo sie mit den Mädchen Dora und Susan, die vor kurzem für die künftige Mrs. Middleton eingestellt worden sind, neue gestärkte Unterröcke und Mieder anprobiert, die diese für sie bestickt haben.
    Er hatte angenommen, es wäre gerade eine Pause, während der die Mädchen Charlotte wieder in ihr Kleid hineinhelfen, doch statt dessen befindet sich George Middleton (als sei er in ein Bild getreten) in einem Raum, in dem Daisy mit losem, über den Rücken fallendem Haar steht. Ihre Arme und Beine sind bloß, sonst ist sie üppig mit weißem Leinen und Spitzenbändern geschmückt. Sie, Dora und Susan lachen – ob über ihn oder einen kleinen Scherz, kann er nicht sagen–, und Daisys Gesicht ist gerötet. Sie blickt ihn kühn an, fast als fordere sie ihn heraus, das Zimmer nicht wieder zu verlassen.
    Er sagt ihr, er müsse ihr etwas Wichtiges mitteilen und komme später wieder.
    »O nein!« ruft sie und greift nach einem Satinkleid, das sie sich zwar anzieht, aber nicht ganz herumwickelt, so daß ihre Brüste über dem Mieder noch zu sehen sind. »Ich hasse es, etwas Wichtiges aufzuschieben, George. So etwas muß sofort erzählt werden, sonst machen einen die Vermutungen und Spekulationen verrückt. Susan und Dora gehen hinaus, und du sagst es mir jetzt!«
    Er hat das Gefühl, er sollte protestieren, tut es aber nicht. Die Mädchen ziehen sich mit anmutigen, kleinen Knicksen zurück, und Charlotte bittet George, auf einem zierlichen Stuhl, bei dessen Entwurf man nicht einen Mann seiner Größe vor Augen gehabt hatte, Platz zu nehmen. Er setzt sich auf die Stuhlkante. Im Zimmer riecht es nach Apfelholz und noch etwas anderem, was nicht mehr und nicht weniger als der Duft seiner zukünftigen Frau ist, der Duft, der ihn an Gänseblümchen erinnert.
    »Nun?« fragt Charlotte. »Sag es mir, George!«
    Er räuspert sich. Er versucht verzweifelt, sich an den genauen Wortlaut dessen zu erinnern, was er ihr erklären wollte, muß aber feststellen, daß er sich überhaupt nicht mehr daran erinnern kann. Doch das Wort »Vertrauen« steht noch im Raum, völlig zusammenhanglos, aber auf seinen Vorrang pochend. Er ist sich dunkel bewußt, daß es zu schwer für Charlottes leichte und neckische Stimmung ist, doch etwas anderes fällt ihm nicht ein. So fängt er an: »Ich habe mir überlegt, Daisy … über gewisse Dinge nachgedacht … und es ist mir klargeworden, wie wichtig es ist, daß wir … wie unbedingt notwendig es ist, daß wir …«
    »Daß wir was, George?«
    Charlotte sitzt dicht neben ihm.
    Er sieht, daß ihre Waden und Füße vom Feuer rosa sind. Er möchte einen Fuß hochnehmen, ihn sich an die Lippen ziehen und mit der Zunge der zarten Linie ihres Spanns folgen. »Vertrauen ist das Wort, auf das ich gekommen bin. Womit ich sagen will, ich möchte dich fragen … ich möchte, daß du ernsthaft glaubst … daß ich niemals … daß ich niemals etwas tun oder sagen werde, was nicht ehrlich ist oder was dir nicht … dir …«
    »Was mir nicht am Herzen liegt?«
    »Ja! Ich möchte, daß du mir vertraust, Daisy. Ohne Vertrauen kann es keine wahre Ehe geben.«
    »Da bin ich ganz deiner Meinung. Doch ich vertraue dir ja. Ich weiß, daß du mich nie …«
    »Was?«
    »Nie auf irgendeine Art ausnützen wirst.«
    »Nein, das werde ich nicht.«
    »Mich nicht verletzen wirst.«
    »Bestimmt nicht. Nichts liegt mir ferner …«
    »Was willst du mir also erzählen?«
    George Middleton ist so zerstreut, daß er fast Peter Claires Brief aus der Tasche gezogen hätte. Doch dann fällt ihm wieder ein, daß er das nicht darf, daß dies genau das ist, was er nicht tun darf. Aber er kann auch nicht, jetzt wo ihm Charlotte in ihrem Unterrock und Kleid so nah ist, das Thema der Abwesenheit ihres Bruders bei der Hochzeit anschneiden, weil er sich einfach nicht erinnern kann, wie er ihr das

Weitere Kostenlose Bücher