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Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
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zitiert. Sie quälen sich in die Stiefel, wobei Krenze flucht, der König zerstöre »die körperliche und geistige Gesundheit eines Menschen«, nehmen ihre Instrumente aus den Kästen und folgen eilends dem Befehl. Sie finden König Christian nicht in seiner Kabine, sondern auf dem Deck selbst vor, draußen unter dem Mond, wo er in einen Sealmantel gehüllt auf einem kunstvollen Holzstuhl thront.
    Er blickt seinen Lautenisten liebevoll an. »Die Natur«, sagt er, »schenkt uns eine kleine Ruhepause, Mr. Claire. Ihr und Krenze werdet nun der Dankbarkeit der Schiffsmannschaft durch ein paar liebliche Weisen Ausdruck verleihen.«
    Es ist sehr kalt. Die Musiker sitzen nebeneinander auf einer Holzkiste und beginnen einen Zyklus deutscher Lieder zu spielen – just die Musik, mit der sich Krenze in Gedanken zu trösten versuchte, als er seekrank war. Als man die Lieder allmählich auf dem ganzen Schiff vernimmt, tauchen immer mehr Menschen auf dem Achterdeck auf, um zuzuhören. Der Kapitän lehnt an einem Tauwerk, den Blick auf den Mond und die Sterne gerichtet, doch die Genies der Mine schauen konzentriert auf Peter Claire und Krenze, als enthielten die von den beiden erzeugten Töne ein wertvolles, ihnen noch unbekanntes Metall.

MAGDALENAS HERRSCHAFT
    Seit Emilia nicht mehr da ist, herrscht Magdalena Tilsen in einem Männerhaus. Einschließlich Johann sind es sechs, und Magdalena ist sich eines außergewöhnlichen Phänomens bewußt geworden:
    Sie wird nicht nur von Johann geliebt, sondern auch von seinen beiden ältesten Söhnen Ingmar und Wilhelm.
    Sie scheinen sich nicht mehr nach ihrer Mutter zu sehnen. Sie sind sechzehn und fünfzehn Jahre alt, und Magdalena merkt an der Art, wie sie sich an sie klammern und jeden Abend um einen Gutenachtkuß betteln, wobei sie dann kichernd versuchen, sie auf den Mund zu küssen, daß sie in ihnen etwas mehr als schlichte Zuneigung weckt.
    Die nächsten beiden Söhne Johanns sind noch zu klein, um sich in sie zu verlieben, doch auch Boris und Matti sind auf ihre Weise schon besitzergreifend. Sie halten gern ihre Hand. Sie lieben es, ein Stück ihres weiten Rocks zu nehmen und sich darin einzuwickeln, an ihren Körper gefesselt, lachend. Wenn sie Kuchen bäckt, sitzen sie auf dem Tisch und tauchen die Finger in die Schüssel, und wenn sie mehrere Mundvoll der cremigen Ei-und-Butter-Mischung gegessen haben, drängen sie Magdalena, ihnen ihre kleinen Finger abzulecken. Und manchmal lösen sie ihr die Haare und halten sie sich vors Gesicht.
    Sie hat sie alle verwandelt. Einmal hört sie Wilhelm zu Ingmar sagen, er beneide seinen Vater, und Ingmar flüsternd antworten, ihr Geruch sei »in jener Hinsicht furchterregend«. Ihr kommt der Gedanke, sie könne im Sommer mit Wilhelm und Ingmar in die an die Erdbeerfelder angrenzenden Wälder gehen und ihnen alles zeigen, was sie je über eine Frau wissen müssen. Magdalena stammt aus einem Bauerngeschlecht. Das Familienmotto ihres Vaters war (woher es kam, wußte niemand mehr): »Schuldlos sind wir«, und alle seiner Sippe nahmen sich diese Worte in der Art, wie sie ihr Leben einrichteten, zu Herzen.
    Mit vierzehn zeigte ihr ihr Onkel, ein Geflügelhändler, alle Möglichkeiten, Männer zufriedenzustellen. (»Man muß sich dessen nicht schämen, Magdalena, es nur ein bißchen lernen.«) Bevor sie Johann Tilsen traf und heiratete, schlief sie noch immer regelmäßig mit diesem Onkel (dem sie auch weiterhin sehr zugetan war) und ihrem Vetter, dem Sohn jenes Geflügelhändlers. Mehrmals war von einem Kind die Rede, doch nie kam eins auf die Welt, und mittlerweile kann sich niemand mehr erinnern, was in dieser Angelegenheit gesagt oder getan worden war. Schuldlos sind wir.
    Magdalena ist sich ihrer Vorherrschaft im Tilsenhaus inzwischen so sicher, daß sie den Luxus und die Freuden ihres neuen Lebens genießt und mit unvergleichlich selbstsicherer Miene herumläuft. Sie sagt sich, daß es nur der Abreise Emilias bedurft hatte, um ihr diesen außerordentlichen Zugewinn an Macht zu verschaffen.
    Oft spielt ein versonnenes Lächeln um ihre Lippen. Sie hat begonnen, sich mit den Delikatessen zu verwöhnen, die in der Nachbarschaft beschafft werden können, wobei es ihr ein leichtes ist, ihren Mann zu überreden, Gänseleber, Sahne, Kapaune für Füllungen, Wachteleier, Rebhühner, Lammschwänze und Schweinsfüße zu kaufen. Sie geht in die Breite. Ihre Wangen sind dick und rosig. Ihr »furchterregender« Geruch scheint an Intensität zuzunehmen. Sie

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