Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Melodie der Stille: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Tremain
Vom Netzwerk:
wartete, und sagte zu mir: »Leider bin ich gerade mit Kartenausteilen an der Reihe. Ich kann nicht länger als drei oder vier Minuten wegbleiben.«
    »Nun«, erwiderte ich, »dann beeil dich, mein lieber Stefan!«
    Er packte mich am Arm und drängte mich in eine kleine Kammer, die eigentlich nicht größer als ein Schrank war. Es blieb mir nicht verborgen, daß dort mehrere Besen, Eimer und Federwische untergebracht waren, womit ich mich allerdings nicht lange aufhielt, da ich, kaum daß mir Otto den Rock hochgeschoben und mich zu streicheln begonnen hatte, rasch zu meinem Vergnügen kam. »Stefan!« rief ich. »Oh, ich will sterben!« Doch Otto zischte mich an, ich solle nicht schreien, weil er Angst hatte, wir würden erwischt; und dann, während die Kartenspieler unten warteten und die Minuten dahinflossen, drückte er mich im Stehen zwischen die Reinigungsutensilien, öffnete seine Hose und nahm mich so, herrlich hastig und brutal, während ich ihm mit der Reitpeitsche über die nackten Lenden schlug und er flüsterte: »Fester, Brigitte, fester!« Und so war alles schon vorbei, bevor es auch nur richtig begonnen hatte, und er fiel nach Luft schnappend auf mich. Ich hörte sein Herz wild an meinem schlagen und sagte: »Otto, mein Allerliebster, wir werden niemals voneinander loskommen! Niemals!«

    Bei meiner Rückkehr auf Rosenborg ließ ich den Wagen eine Weile im Kreis herumfahren, um meine Fassung wiederzugewinnen. Emilia erzählte mir, daß der König in meiner Kammer gewesen sei und meine Abwesenheit entdeckt habe.
    Wieder hatte ich das Gefühl, auf meinem Seil zu sein, und bildete mir ein, ich könne den Wind um mich herum aufkommen hören, der anfing, das Seil schwanken und schwingen zu lassen, und ich spürte, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich und ich weiche Knie bekam.
    Rasch ließ ich mir von Emilia Wasser und Seife bringen und wusch mir alle Spuren von Otto vom Körper. Dann zog ich ein sauberes Nachthemd an und begab mich zu Bett. »Wenn der König noch einmal auftaucht«, sagte ich zu Emilia, »laß ihn herein. Ich sage, ich sei aufs Land hinausgefahren, um frische Luft in die Lunge zu bekommen. Es gibt keinen Erlaß, der das Einatmen von Nachtluft verbietet.«
    Er kam jedoch nicht. Emilia versuchte mich zu beruhigen, indem sie mir erzählte, daß der König verwirrt gewesen zu sein schien und vermutlich getrunken hatte (wie es immer mehr zu seiner Gewohnheit wird), und mir dann ein paar hübsche Geschichten über ihre tote Mutter Karen erzählte, die im Winter immer mit ihr auf dem Eis getanzt und ihr im Sommer eine seidene Hängematte zum Aufhängen zwischen zwei Linden angefertigt hatte, sie damit schaukelte und ihr vorsang.
    Ich sah deutlich, daß Emilias Mutter in jeder dieser liebevollen Einzelheiten viel netter zu ihrer Tochter gewesen war als ich jemals zu meinen lästigen Kindern, und das hätte in mir leicht Haß auf mich auslösen können, zu dem ich sehr neige, wenn ich meine eigenen Mängel wahrnehme. Doch ich war nicht verärgert, sondern bedauerte nur, diese tote Karen nicht kennenlernen und durch ein Wunder wieder zum Leben erwecken zu können, damit sie endlich zu den Obstplantagen Jütlands zurückkehren und die widerwärtige Magdalena, verfolgt von einem Bienenschwarm, dorthin zurückschicken könnte, woher sie gekommen war.

    Am nächsten Morgen wurde ich früh durch den plötzlichen und unerwarteten Besuch von Doktor Sperling erneut in Schrecken versetzt. Er brachte seinen Kasten mit dem chirurgischen Besteck mit, dessen Anblick das Herz einer jeden Frau mit Entsetzen erfüllen kann, da dieses einen so kalten und grausamen Eindruck macht.
    »Madam«, sagte er, »der König hat mich gebeten, Euch zu untersuchen. Er sagt, er glaube, Ihr könntet ein Kind erwarten.«
    »Könntet?« fragte ich. »In dieser Angelegenheit gibt es kein ›könntet‹, Doktor Sperling. Ich habe Seine Majestät gestern abend darüber informiert, daß ich ihm im Winter wieder ein Kind schenken werde.«
    Der Arzt hat kleine braune Augen ohne jeden Glanz, die fast tot wirken, als seien es Steine. »Nun gut!« meinte er. »Würdet Ihr Euch jetzt bitte aufs Bett legen, damit ich feststellen kann, wie weit Eure Schwangerschaft fortgeschritten ist und wir wissen, wann das Kind auf die Welt kommt?«
    Meine Angst war so groß, daß ich mich einen Augenblick lang nicht rühren konnte. Doch dann erwiderte ich so rasch wie möglich: »Es besteht kein Anlaß für eine Untersuchung, Doktor. Denn war der König

Weitere Kostenlose Bücher