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Melodie des Südens

Melodie des Südens

Titel: Melodie des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gretchen Craig
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gewesen –, sondern auf ihrem Hals. Sie fühlte sich, als stände sie nackt vor ihm, und unterdrückte den Impuls, die Hand zum Hals zu heben.
    Marcel hatte sie noch nie so angesehen, so … als würde er sie am liebsten auffressen. Mit solchen Blicken brachte er ihr Blut in Wallung und ließ sie am ganzen Leib erzittern.
    »Sind Sie fertig mit essen?«, fragte sie in dem Versuch, ebenso unhöflich zu sein wie er. Dann schob sie ihren Stuhl zurück, um aufzustehen, aber Yves griff nach der kleinen Silberglocke neben ihrem Weinglas und läutete sie.
    »Ich glaube, ich nehme noch ein Stück von dem Kokoskuchen, den Charles erwähnte«, sagte er.
    Sie setzte sich wieder und legte die Hände in den Schoß. Sie würde ihm jeden Bissen in den Mund zählen.
    Charles brachte zwei Teller mit Kuchen, so weiß, wie ein Kuchen nur sein konnte, mit einer dicken weißen Zuckerglasur und mit fein geraspelter süßer Kokosnuss darauf.
    »Ich glaube, ich möchte keinen mehr, Charles«, sagte Marianne. Sie würde Yves lieber bestrafen, indem sie ihm beim Essen zusah. Vermutlich würde er irgendwann Glasur an der Lippe haben, und sie würde es ihm nicht sagen. Sie ertappte sich dabei, wie sie ihm auf den Mund starrte.
    Yves bewegte die Gabel absichtlich langsam; er wirkte niedergeschlagen und verletzt, zutiefst verletzt. »Wollen Sie mir denn nicht Gesellschaft leisten, Miss Johnston? Es war ein entsetzlich langer Tag und ich …«
    »Ich kann wirklich nicht mehr, aber bitte, Mr Chamard, genießen Sie doch Ihren Kuchen!«
    Yves starrte den Kuchen an. »Er sieht wirklich gut aus.« Mit der Todesverachtung eines Kindes, dem man das Abendessen streicht, schob er den Teller von sich.
    »Ach, um Gottes willen!« Sie nahm ihre Gabel und stach in den Kuchen.
    Sofort hellte sich Yves Miene wieder auf. »Was glauben Sie, woher diese Kokosnüsse stammen?«
    »Vater oder Adam könnten es Ihnen wohl sagen. Ich vermute, sie kommen von Kuba.«
    Yves benahm sich gut, und etwa zehn Minuten lang machten sie angenehme Konversation. Kein Anstarren, kein Grinsen, keine unbedachten Bemerkungen. Er tupfte sich den Mund mit der Serviette ab und schob seinen Stuhl zurück. Dann umrundete er den großen Tisch, während er weiter über ein Pferderennen sprach, das er gesehen hatte.
    Als er bei Marianne angekommen war, hielt sie ihren Rock fest, um bereit zu sein, wenn er ihr mit dem Stuhl half. Aber stattdessen setzte er sich auf den Stuhl neben ihr. Er nahm ihre Serviette, tauchte eine Ecke in ihr Wasserglas und wischte ihr ein wenig Zuckerglasur von der Nasenspitze.
    Marianne wurde feuerrot. Nie im Leben war sie so gedemütigt worden.
    »Wenn Sie jetzt grinsen, spreche ich nie wieder auch nur ein Wort mit ihnen«, sagte sie. Sie beobachtete seinen Mund. Er beugte sich zu ihr.
    »Nein, ich werde nicht grinsen.«
    Seine Lippen trafen die ihren, weich und warm und sanft. Er bewegte den Kopf und küsste sie noch einmal, ohne Druck, ohne Drängen, einfach voller Süße und Zärtlichkeit. Er griff ihre Unterlippe mit den Zähnen, und ihr stockte der Atem. Das waren also echte Küsse.
    Als er ihre Oberlippe mit der Zungenspitze berührte, zog sie sich zurück, erschreckt durch das neue Gefühl, aber beim nächsten Kuss fühlte sie sich schon wieder sicherer. Er war sanft wie der erste, und sie blieb still sitzen und wartete auf den nächsten. Und den nächsten.
    Als er aufhörte, seufzte sie tief.
    »Darf ich jetzt ein wenig lächeln?« Er sah ihr in die Augen, und tatsächlich, da konnte man ein Lächeln erkennen, aber nicht auf seinem Mund, das hatte sie überprüft.
    »Vielleicht ein wenig.«
    O Gott! Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Es war kein Grinsen, auch wenn seine Narbe die linke Seite der Oberlippe ein bisschen höher zog. Warum hatte sie dieses Lächeln vorher nie gesehen?
    Yves nahm ihre Hand, drehte sie mit der Handfläche nach oben und hob sie an seinen Mund. Marianne schluckte schwer, als ihr am ganzen Körper warm wurde. Irgendetwas geschah mit ihr, irgendetwas Neues und zutiefst Verstörendes.
    »Vielen Dank für das Dessert«, sagte Yves. Jetzt war dieser neckende Blick wieder da, aber dieses Mal … dieses Mal fand sie ihn bezaubernd.
    Am nächsten Morgen erwachte Marianne früh vom Gesang eines Spottvogels vor ihrem Fenster. Yves hatte sie am Abend zuvor bis zum Fuß der Treppe begleitet, als sie das Speisezimmer verlassen hatten. »Bitte vergeben Sie mir, wenn ich Ihren Abend zu lange ausgedehnt habe, Miss Marianne. Aber ich denke, ich werde

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