Melville
dennoch dermaßen peinlich, dass ich ihn
nicht mehr ansehen kann und diese zutrauliche Haltung, die wir beide
haben, macht es nicht gerade besser. Doch er scheint nicht
vorzuhaben, mich aus dieser Position zu entlassen.
„Möchtest
du wissen, ob ich es vorhabe oder bittest du mich eigentlich darum,
Sex mit dir zu haben?“.
Das
war eine trickreiche Frage. Einerseits empfinde ich unsere Verbindung
als heilig und in meinen Augen würde Sex vielleicht etwas von diesem
Zauber zerstören. Andererseits will ich ihm nah sein, so nahe ich
kann. Solange ich es auch als Mensch erleben kann. Ich will seine
Hände auf mir spüren, nicht nur an meinem Kopf, will mehr als nur
sein Blut. Ich will ihn. Doch es ist auch ungewöhnlich für mich.
Ich bin in Verbindung mit einem Partner nie die schwache Partei.
Egal, ob Mann oder Frau, ich entscheide aktiv immer was passiert. Und
bei ihm müsste ich mich vollkommen fallenlassen.
Anscheinend
dauert ihm meine Antwort zu lange, was mich natürlich auch verrät.
Er
zieht mich hoch, ich setze mich neben ihn auf die Couch.
„Melville,
ich kann dir vertrauen und dir sagen wie es ist. Ich empfinde nicht
auf eine körperliche Art und Weise. Mit dem Blutdurst fiel bei mir
das Verlangen nach Sex und Partnerschaft aus. Auch wenn ich dich sehr
gerne bei mir habe. Für mich allein müsstest du dich also nicht
hingeben. Solltest du aber dieses dringende Bedürfnis spüren, so
kann ich es ermöglichen. Es wäre also ein Geschenk an dich.
Überlege es dir gut, Sex mit einem Kainskind kann für einen
Menschen sehr anstrengend sein, auch wenn du ein Ghul bist.“. Er
sieht mich lächelnd an, doch ich verzweifele fast. Ich bin mir über
meine eigenen Gefühle so unsicher, dass ich nur zur Bestätigung
nicke. Dann klopft er mir seicht auf das rechte Knie und sagt
„Überlege
es dir und bis du eine Antwort hast, lass uns beide weiter um die
Vorbereitungen für deinen Wechsel kümmern. Es gibt noch einiges,
das du vorher erledigen musst. Wenn du erst einmal nicht mehr in der
Lage bist, tagsüber wach zu sein, wird es schwer mit bestimmten
Ämtergängen.”. Er erhebt sich und ich folge ihm. Meine Gedanken
rasen, doch zu einem Ergebnis komme ich sicherlich nicht so schnell.
Der Tod ist nur der erste Schritt
„
Auch
wenn es kitschig ist, bevorzuge ich den Hals. Dich durch dein
Handgelenk leer zu saugen dauert ewig und quält dich nur länger.
Sonst gibt es da noch die Aorta, die auf der Innenseite deiner
Oberschenkel entlangläuft, aber ich glaube, diese Stelle ist mir zu
heikel. Wenn du nichts dagegen hast, beiße ich dir einfach in den
Hals. Oder hast du etwas dagegen?“
Während
ich mich auf die Liege lege, muss ich lächelnd an diesen Kommentar
von Benedict denken. Gestern, kurz bevor er sich zur Ruhe legte, hat
er ganz nebenbei darüber gesprochen. Und ich habe nichts gegen den
Hals gehabt.
Es
ist Sonntag, der dreizehnte November 2005. Ein kleiner abgedunkelter
Raum im Clanshaus der Ventrue soll der Ort meines Todes und meiner
Wiedergeburt sein. Er hatte mich zuvor erst einige Male mit
hierhergebracht, dass wird sich aber sicher nach diesem Ereignis
ändern. Ich trage einen maßgeschneiderten neuen Smoking, denn es
soll sowohl meine Beerdigung, als auch mein zweiter Geburtstag
werden. Ein triftiger Grund, es besonders zu zelebrieren. Mein
letzter Haarschnitt, mein letzter körperlich veränderbarer Zustand.
Auch Benedict hat sich in seinen besten Smoking gekleidet und würdigt
somit diesen Vorgang. Ich bin sein zweites Kind, also ist es auch für
ihn alles andere als ein gewöhnliches Ereignis. Er steht noch etwas
abseits neben mir und betrachtet aufmerksam die vier Personen, die
leise in den Raum treten. Die offiziellen Zeugen meiner Verwandlung.
Drei Männer und eine Frau setzen sich auf die bereitgestellten
großen Stühle, keiner von ihnen spricht ein Wort. Und ich meine,
nur einen der Männer bereits einmal auf einer von Benedicts
Veranstaltungen gesehen zu haben. Ich bin extrem nervös, ich fühle
wie mein Puls rast und ich leicht nasse Hände bekomme. Falls etwas
schiefgehen sollte,
würde ich einfach nur in dieser Nacht sterben. Sterben und vergessen
werden. Ob sterben an sich schmerzhaft ist? Ob ich einen kurzen
Einblick auf das, was eventuell nach dem Tod folgt, erfahren kann?
Ich
drehe den Kopf wieder weg von den Zeugen und merke, wie Benedict auf
mich zugeht. Ich habe mich, trotz seines Angebotes vor über einem
Monat, nicht körperlich mit ihm vereint. Ich bewahre mir
Weitere Kostenlose Bücher