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Memed mein Falke

Memed mein Falke

Titel: Memed mein Falke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasar Kemal
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Nächte lang Feste feiern.«
»Wer Liebende trennt, kommt nicht zum Heil.«
»Hoffentlich kommt er nicht zur Ruhe.«
»Wenn Memed ihn nicht straft, so straft ihn Allah.«
»Hoffentlich!«
»Sprich leise!«
»Ahmet der Mächtige, wo bist du? Das ist doch ein Tag, an dem du auftauchen solltest.«
»Ahmet der Mächtige pflügt in Daghistan. Er muß feiger sein als ein Weib.«
»Memed ist in die Stadt gegangen.«
»Er sucht sich dort eine Bleibe.«
»Wenn doch diesem glatzköpfigen Neffen etwas zustoßen würde!«
»Der Blitz soll ihn treffen!«
»Auf der Stelle würde er tot umfallen. «
»Tot umfallen ... «
»Memed soll das Mädchen bekommen und mitnehmen.«
»Memed soll sie mitnehmen.«
»Er soll das Mädchen bekommen ... «
»Ich kenne Hatçe. Sie wird sich töten.«
»Wenn sie stirbt, kann Memed nicht mehr leben.«
»Der arme Memed!«
»Die arme Döne! Sie hat schon in jungen Jahren ihren Mann verloren. Soll sie auch noch ihren Sohn verlieren?«
»Möge sie nicht auch noch ihren Sohn verlieren!«
Das ganze Dorf nahm Anteil an Memeds und Hatçes Schicksal.
Dem allgegenwärtigen Abdi Aga konnte das Gerede nicht entgehen. Eines Nachts ließ er Memed zu sich rufen. Der stand schweigend, machtlos, mit verkrallten Fäusten vor ihm, ließ die schäumenden Wutausbrüche über sich ergehen.
»Undankbarer Schurke! Wie ein Hund bist du an meiner Schwelle groß geworden. Und jetzt erfrechst du dich, die Augen zur Braut meines Neffen zu erheben, ehrloser Kerl!«
Memed stand wie versteinert, mit kalkweißem Gesicht. Nichts regte sich an ihm, nur die Funken glommen in seinen Augen auf.
»Höre mir gut zu, Memed. Wenn du in diesem Dorf leben und zu essen haben willst, dann halte dich an das, was ich dir sage. Du bist noch ein Kind, du kennst mich noch nicht. Wenn ich will, bleibt von einem Haus nichts mehr übrig. Wo der Herd gestanden hat, lasse ich einen Feigenbaum wachsen. Hörst du mich, armseliger Habenichts? Ich bin der Mann, der Feigenbäume wachsen läßt, wo einmal Feuerstellen waren. Weißt du, was das heißt?«
Er packte Memed hart am Arm.
»Ich bin Abdi. Ich pflanze Bäume, wo einmal Häuser waren!«
Memeds Schweigen steigerte die Wut des anderen bis ins Grenzenlose. »Dreckiger Habenichts, Sohn eines Habenichts! Die Braut meines Neffen auch nur anzuschauen! Wenn einer glaubt, daß er sich das herausnehmen kann, dann wird er stückweise den Hunden vorgeworfen. Höre auf meine Worte: Du wirst nicht mehr an dieser Tür vorbeigehen, hast du verstanden? Nie mehr!«
Es nützte nichts, daß er Memed mehrmals heftig anstieß. Ebensogut hätte er versuchen können, aus einem Stein einen Laut hervorzubringen. Außer sich bearbeitete er den Jungen mit Fußtritten. Memed mußte sich äußerste Gewalt antun, um ihn nicht zu erschlagen. Er knirschte mit den Zähnen, biß in verzweifelter Wut mit aller Kraft in das Innenfleisch seiner Backen. Sein Mund war voll Blut, gelbe Blitze zuckten ihm durch das Gehirn.
»Zur Hölle mit dir! Das kommt heraus dabei, wenn man deinesgleichen Gutes tun will! So etwas läßt man aufwachsen, damit einmal ein anständiger Mensch daraus wird. Füttere eine Krähe, und sie wird dir die Augen aushacken! Scher dich zum Satan, Hundesohn!«
Halb ohnmächtig taumelte Memed hinaus. Vor der Tür spuckte er aus. Es war ein Fetzen Blut.

8
    Es herrschte eine solche Finsternis, daß man keine Häuser, keine Bäume, keine Felsen, nicht einmal den Mond, die Sterne oder den Boden erkennen konnte. Sachte, aber stetig rieselte der Regen hernieder. Ein leiser, kühler Wind wehte. Dann und wann heulte irgendwo ein Hund in die Dunkelheit hinaus. Ein verfrühter Hahn ließ sein Krähen hören. Es war lange vor der Zeit, gewiß würde ihm sein Herr am Morgen gleich den Hals abschneiden. Von weit her, von der Straße jenseits des Berges, kam Schellengeläute. Mit langen Unterbrechungen erklang es immer wieder - ein Zeichen, daß die dort ihres Weges ziehenden Reisenden am Ende ihrer Kraft waren.
    Memed wartete schon lange, zusammengekauert in der Hecke neben dem mit seinen gewaltigen Zweigen Schutz bietenden Maulbeerbaum. Ihn fröstelte unter dem Regen, der seit Einbruch der Dunkelheit auf ihn herabrann. Ein Geräusch hinter dem Gebüsch ließ ihn aufhorchen. Es mußte eine springende Wildkatze sein. Dann fiel ihm seine Mutter ein. An sie zu denken verursachte ihm körperlichen Schmerz, als habe man ihn mitten ins Fleisch geschnitten. Bitterkeit stieg in ihm auf. Sie würden ihr tausend Qualen bereiten ... In der Ferne

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