Memento - Die Überlebenden (German Edition)
Ingership, sieht seine Frau an und lächelt stolz. Seine Frau lächelt zurück. »Pressia, meine Frau war Mitglied bei den Femininen Feministinnen, als du noch klein warst, du weißt schon, bevor …«
»Ah«, sagt Pressia, obwohl sie den Ausdruck Feminine Feministinnen noch nie im Leben gehört hat.
»Sie war sogar im Vorsitz. Ihre Mutter war eine der Gründerinnen.«
»Aha«, sagt Pressia leise. »Sehr schön.«
»Ich bin sicher, Pressia versteht die Probleme«, sagt Ingership. »Sie muss ihren Offiziersstatus irgendwie mit ihrer Weiblichkeit in Einklang bringen.«
»Wir glauben an die wahre Bildung für Frauen«, sagt Ingerships Frau. »Wir glauben an Erfolg und Verantwortung, doch warum muss das mit einfachen weiblichen Tugenden konkurrieren, Schönheit und Eleganz und einer Leidenschaft für das Heim und die Familie? Warum muss das heißen, dass wir eine Aktentasche tragen und burschikos sind?«
Pressia sieht Ingership an, weil sie nicht genau weiß, was sie darauf antworten soll. Rezitiert seine Frau eine Werbebotschaft aus dem Davor? Es gibt keine Bildung mehr, für niemanden. Heim und Familie? Und was ist eine Aktentasche?
»Meine Liebe«, sagt Ingership, »lass uns nicht über Politik reden.«
Seine Frau blickt betreten auf ihre bestrumpften Fingerspitzen, zupft den Stoff zurecht. »Natürlich. Du hast ja so recht. Bitte entschuldige.« Sie lächelt, nickt und wendet sich ab, um in den Raum zu gehen, der die Küche zu sein scheint.
»Warte«, sagt Ingership. »Pressia ist immerhin ein Mädchen. Vielleicht möchte sie einmal eine richtige Küche in all ihrer voll ausgestatteten Pracht sehen? Pressia?«
Pressia zögert. Offen gestanden hat sie keine Lust, sich von Ingership zu entfernen. Sie verlässt sich auf seine Andeutungen bezüglich angemessenen Verhaltens – andererseits darf sie die Einladung nicht ausschlagen. Das wäre unhöflich, so viel ist ihr bewusst. Frauen und Küchen. Sie ist innerlich empört, trotzdem pflichtet sie ihm bei. »Ja! Natürlich gerne! Eine Küche!«
Ingerships Frau wirkt äußerst nervös. Ihr Gesichtsausdruck, verborgen unter dem Strumpf, ist schwer zu deuten, doch sie zupft erneut an den Fingerspitzen ihres Strumpfes. »Ja, ja«, sagt sie, »natürlich. Es ist mir eine Freude.«
Pressia steht auf, legt ihre Serviette auf den Stuhl und schiebt den Stuhl unter den Tisch. Sie folgt Ingerships Frau durch die Schwingtür in das Nachbarzimmer.
Die Küche ist geräumig. Über einem langen schmalen Tisch in der Mitte hängt eine Lampe. Die vielen freien Arbeitsflächen sind ordentlich aufgeräumt und frisch gesäubert.
»Das Spülbecken. Der Geschirrspüler«, sagt Ingerships Frau und deutet auf den großen schwarzen Apparat unter dem Tresen. »Der Kühlschrank«, sagt sie und zeigt auf einen großen Schrank mit zwei Türen, einer großen unten und einer kleineren oben.
Pressia geht zu jedem der benannten Geräte und betrachtet sie. »Sehr schön«, sagt sie.
Ingerships Frau tritt zum Spülbecken. Als Pressia neben ihr steht, legt sie einen Metallhebel am Ende einer chromglänzenden Vorrichtung um, und Wasser fließt rauschend aus einer bis dahin unsichtbaren Öffnung. »Ich passe auf, dass dir nichts passiert«, flüstert sie Pressia vertraulich zu. »Keine Sorge. Ich habe einen Plan. Ich tue mein Bestes.«
»Dass mir nichts passiert?«, fragt Pressia überrascht.
»Hat er dir nicht gesagt, warum du hier bist?«
Pressia schüttelt den Kopf.
»Hier«, sagt Ingerships Frau und gibt Pressia eine kleine weiße Karte mit einer roten Linie in der Mitte – hellrot, die Farbe von frischem Blut. »Ich kann dir helfen, aber du musst helfen, mich zu retten.«
»Ich verstehe nicht …«, sagt Pressia und starrt ratlos auf die Karte.
»Behalt sie«, sagt Ingerships Frau und drückt Pressias Hand zu. »Du darfst sie nicht verlieren.«
Pressia nimmt die Karte und steckt sie tief in ihre Hosentasche.
Dann dreht Ingerships Frau den Wasserhahn wieder ab. »Und so funktioniert es!«, sagt sie laut. »Mit Rohren und Abwasser und allem!«
Pressia starrt sie verwirrt an.
»Keine Ursache«, sagt Ingerships Frau.
»Danke sehr«, sagt Pressia ein wenig verspätet, doch es klingt mehr wie eine Frage.
Ingerships Frau führt Pressia aus der Küche zurück ins Esszimmer. Pressia setzt sich wieder auf ihren Platz.
»Es ist eine wunderschöne Küche«, sagt sie. Sie ist immer noch verwirrt.
»Ja, nicht wahr?«, sagt Ingership.
Seine Frau verneigt sich leicht und verschwindet
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