Memiana 1 - Ewige Wacht: 1 Xeno 1.2 (German Edition)
gehörte, hatten die Wasserstelle entdeckt, die zwanzig Schritt tief lag und aussah, als sei einst eine riesige Blase im Felsen geplatzt. Die Tabbas hatten die erste Mauer um die Cave errichtet. Später waren dann die Mahlo gekommen und hatten mit der Herstellung von Kaas begonnen, mit dem die Herren der Ansiedlung handelten.
Ili sah ihren Bruder an. „Es ist nicht deine Schuld! Das soll ich dir von Kobar sagen. Das musste ich ihm immer versprechen. Jedesmal, bevor ihr aufgebrochen seid.“
Mit jeder Stufe, die sie weiter nach unten kamen, verschwand etwas von Salas Helligkeit und es wurde dunkler, gerade so, als wandere man ins Graulicht hinein. Jarek schaute seine kleine Schwester an und sagte mit Verwunderung: „Ich hatte Angst, dass du daran zerbrichst, Ili. Aber du nimmst Kobars Tod so ... ich weiß nicht wie.“ Die Gedanken flatterten durch Jareks Verstand wie ein voller Schwärmer, aber er konnte den richtigen darunter nicht finden. Er wusste, dass er etwas anderes von Ili erwartet hatte, aber er konnte es nicht benennen.
Ili schüttelte leicht den Kopf. „Ihr habt alle keine Ahnung, wie das ist. Richtig?“
„Wie was ist?“
„Wenn ihr loszieht. Wenn ein Jagdtrupp die Mauern verlässt. Wenn ihr unterwegs seid, dann habt ihr in der Hand, was mit euch passiert. Meistens. Ihr könnt beeinflussen, was wird. Wir nicht. Wir können nur warten. Ob ihr wiederkommt.“
So es hatte Jarek es noch nie gesehen, musste er sich eingestehen. „Das muss sehr schwer sein“, sagte er.
„Schwer? Nein.“ Ili schüttelte den Kopf so heftig, dass der siebensträngige Zopf, der ihr bis zum Gürtel reichte, über die Schulter geschleudert wurde und dort liegen blieb. „Nicht schwer. Unerträglich. Es gibt nur eine Möglichkeit, nicht verrückt zu werden. Wenn ihr geht, dann verabschieden wir uns, als würdet ihr nie wiederkommen. Als wäre es das letzte Mal, dass wir euch sehen. Kommt ihr dann doch zurück, ist es für uns das größte Glück, das man sich vorstellen kann. Ein Geschenk. Führt euch der Weg zurück zu Memiana, dann ... dann hatten wir uns schon verabschiedet. Ich habe schon so viele, viele Male um Kobar getrauert. Es wird nicht viel schlimmer, weil er dieses Mal wirklich nicht wiederkommt.“
Jarek erwiderte Ilis Blick und er musste zugeben, dass er seine kleine Schwester unterschätzt hatte. Sie mochte winzig sein, aber in sich trug sie die Stärke, Härte und Entschlossenheit ihres gerade gestorbenen Bruders. Jarek verspürte eine Wärme in seiner Brust: Auch Ili war eine Thosen.
„Hast du mal mit Kobar darüber gesprochen?“, fragte er.
„Wir haben über so Vieles geredet“, antwortete sie. „Das wird mir fehlen“
„Mir auch.“ Jarek spürte, wie Ilis Griff fester wurde, und sie zögerte. „Was hast du?“
„Es tut mir so leid“, sagte sie sehr leise. „Dass jetzt alles anders ist. Für dich.“
„Es ist für alle anders geworden“, antwortete Jarek.
„Das meine ich nicht.“
Jarek wartete, aber Ili sprach nicht weiter, sondern sah ihn nur mit traurigen Augen an.
„Was meinst du sonst?“
„Du wolltest den Großen Höhler jagen“, sagte Ili.
„Was?!“ Jarek war überrascht. „Woher weißt du ...“
„Also habe ich recht“, meinte sie nur.
Es hatte keinen Sinn, es abzustreiten, also nickte Jarek. „Ja. Ich hatte mich entschieden. Aber woher weißt du, dass ich es machen wollte?“
„Weil du dich in Maro eingesperrt fühlst“, sagte Ili.
Jarek wollte widersprechen, aber Ili schüttelte nur einmal den Kopf. „Sag nichts. Ich weiß, dass es stimmt. Warum bist du denn bei jedem Jagdzug der Erste, der sich meldet? Warum stehst du am liebsten Wache auf dem Turm, wo du weit schauen kannst? Warum sitzt du immer in der ersten Reihe, wenn ein Berichter kommt und etwas erzählt? Von fremden Städten, weit weg?“
Jarek schwieg.
„Ich habe gewusst, dass du gehen würdest. Irgendwann hättest du den großen Höhler gejagt“, setzte sie mit trauriger Stimme hinzu. „Aber jetzt ...“
Sie musste nicht weitersprechen. Jarek wusste genau wie seine Schwester, dass der Traum nun ein Traum bleiben würde.
„Jetzt bin ich Thosens Ältester“, flüsterte Jarek und sein Hals war trocken.
„Es tut mir leid“, wiederholte Ili genauso leise. „Du hättest ihn erlegt. Das weiß ich.“ Sie hob einmal bedauernd die Schultern und atmete tief ein.
„Es ist, wie es ist“, sagte Jarek und bemühte sich um einen leichten Ton. Aber er wusste, dass er Ili nichts vormachen
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