Men in Black II
misstrauisch.
»Gespült«, bestätigte Jay.
»Erklärung!«, kommandierte Kay.
»Schon mal auf einer Wasserrutsche gewesen?« Jay verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte Kay mit einem Blick, der ihn auffordern sollte, seinem Beispiel zu folgen.
Sein Partner ahmte Jays Haltung instinktiv nach, verlangte jedoch immer noch beharrlich: »Erklä …«
Dies war ein verdammt schlechter Tag für Kay, wenn es darum ging, zu Wort zu kommen. Noch ehe er die letzte Silbe über die Lippen gebracht hatte, öffnete sich der Boden unter ihren Füßen, wurde zu einem gewaltigen Abfluss, während sich von oben gewaltige Ströme leuchtend blauen Wassers in den gläsernen Raum ergossen und die beiden Männer mit unwiderstehlicher Kraft mit sich rissen. Mit brutaler Gewalt wurden Jay und Kay zweimal durch den runden Raum gewirbelt, bevor …
Als Jay gesagt hatte, sie würden rausgespült, hatte er sich durchaus präzise ausgedrückt.
Mit irrsinniger Geschwindigkeit schossen sie den Abfluss hinunter, während sich über ihnen der Boden des Raumes wieder schloss. Schreiend krachten sie auf ihrer Wildwasserfahrt gegen die gläsernen Wände des Abflussrohres. Als sie richtig auf Touren kamen, schienen sich ihre Körper in menschliche Torpedos zu verwandeln, die das Notfallevakuierungssystem kreiselnd durch seine Rohrleitungen jagte.
Kays Gesicht verwandelte sich in eine grotesk verzerrte Maske seiner selbst, dennoch gelang es ihm, den letzten Laut von sich zu geben, den er in dem Deneuralisationsraum hatte aussprechen wollen:
»… ruuuuuuuung!«
Jay wusste nicht recht, ob er den Burschen für seine Beharrlichkeit in einer Notfallsituation bewundern oder lieber ohrfeigen sollte, weil er so stur war wie ein Maultier.
Innerlich stimmte er für die Maultiervariante. Dann schrie er noch ein bisschen.
Der Times Square bildet das Herz des Great White Way, dem Zentrum des Theaterviertels, dem Dreh- und Angelpunkt der Stadt. Hier kann man auch heute noch die Neuigkeiten der ganzen Welt in Laufschriften verfolgen, die jenes berühmte Gebäude umkreisen, vor dem jedes Jahr am Silvesterabend die Post abgeht, oder sich über den Wert seiner Investitionen auf dem Laufenden halten, indem man einen raschen Blick auf das riesige LED-Display am NASDAQ MarketSite-Tower wirft.
Die Gebäude, die den Times Square flankieren, bilden Mauern aus blitzendem, glitzerndem, schillerndem Neonlicht, die samt und sonders der Produktwerbung dienen. Dieses Gebiet ist berühmt für seine gewaltigen Reklametafeln, dort, wo in vergangenen Jahrzehnten Rauchkringel aus den Mündern von Giganten aufstiegen, die sich an dieser coolen, erquickenden Zigarette erfreuten, bevor die Warnung des Gesundheitsministers in Kraft trat. Wo auch immer Sie hinsehen, man drückt Ihnen die Werbung direkt aufs Auge. Selbst auf dem Bürgersteig unter Ihren Füßen finden Sie allerlei Botschaften, die Sie auffordern, hierhin oder dorthin zu gehen und Ihre Kohle auf den Tisch zu legen, sobald Sie angekommen sind.
Dies ist außerdem ein Ort, wo, wenn Sie lange genug dort rumhängen, die ganze Welt im Eilschritt an Ihnen vorüberzieht, unzählige Menschen, alle mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt oder von all den schönen bunten Lichtern benebelt. Vermutlich nehmen sie Sie gar nicht wahr.
Die Polizei schon. Es war noch gar nicht lange her, dass der Times Square ein Synonym für den Sittenverfall war. Die liebenswerten Halunken aus den Kurzgeschichten von Damon Runyon waren weit weniger romantischem Gesindel gewichen, Horn&Hardart-Fressautomaten hatten samt Sitzbereichen den Peepshows und Erwachsenen-Kinos Platz gemacht.
Und dann, als es schien, keine Flasche mit Bleiche könnte groß genug sein, all die Flecken vom Great White Way zu waschen, wurde der Times Square aufgeräumt und in einen touristenfreundlichen Themenpark umgewandelt, und die Polizei patrouilliert zu jeder Tages- und Nachtstunde und sorgt dafür, dass sich der neue Glanz nicht gleich wieder abnutzt, wenigstens nicht allzu sehr.
An der Ecke 44. Straße West und Broadway standen zwei große Stahltanks. Beide trugen die Aufschrift: Stickstoff, und beide hatten unzählige Doppelgänger an anderen Straßenecken überall in der Stadt. Nur ein ganz gewöhnlicher Bestandteil einer urbanen Landschaft, ein visuelles Äquivalent zu Hintergrundgeräuschen oder -musik. Tausende von Menschen liefen zu Tausenden von Zeiten jeden Tag daran vorbei, und niemand schenkte den Tanks Beachtung, genauso wenig, wie
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