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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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zunehmend Anlass zur Sorge. Nicht militärisch, aber ökonomisch, was noch schlimmer war. Eine spirituelle Botschaft könnte dort einiges in Gang setzen. Und es gab noch andere Problemfelder, die Drucker wesentlich stärker beunruhigten. Probleme, die viel näher an der Heimat waren. Probleme, wie sie seinem einzigen Sohn das Leben gekostet hatten. In jedem Fall war es sinnvoll, die Botschaft von der globalen Erwärmung als Aufhänger zu benutzen. Sie hatte nichts Bedrohliches. Jeder konnte sie gutheißen, sie überwand die Nationalitäten und Glaubensgrenzen. Mit ihrer Hilfe würden sich ihnen vom ersten Tag an Menschen anschließen. Die zweite Botschaft – diejenige, auf die es ankam – würde sich durch die Hintertür einschleichen.
    Die Strategie musste umsichtig vorangetrieben werden. Die Verhältnisse in der Heimat gaben ihm einen Vorsprung. Siebzig Prozent der Amerikaner glaubten, dass es Engel gab, den Himmel, ein Leben nach dem Tode – und Wunder. Zweiundneunzig Prozent der Amerikaner glaubten an einen persönlichen Gott, der Anteil an ihren individuellen Dramen nahm und den sie um Rat fragen konnten. Eine solide Basis war eindeutig vorhanden. Auch wenn man die Arbeiten hochangesehener Psychologen und Anthropologen hinzuzog, die die mentale Architektur des religiösen Glaubens untersuchten. Sein Vorhaben musste sauber in die Parameter passen, die solche Recherchen vorgaben. Zum einen durfte die Täuschung nicht allzu ausgefallen sein. Zwarfremdartig genug, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu fesseln und sich fest in ihrem Gedächtnis zu verankern, aber nicht in solchem Maße, dass sie nichts damit zu tun haben wollten. Studien hatten gezeigt, dass gerade das richtige Maß an Absonderlichkeit entscheidend war, um Gläubige zu überzeugen. Außerdem musste die Erscheinung die Gefühle der Menschen ansprechen, damit der Glaube ins Spiel kommen konnte. Die Religionen benutzten ausgefeilte Rituale, um die Emotionen der Gläubigen aufzuwühlen: hoch aufragende, dunkle Kathedralen voller Kerzenlicht, Hymnen und Gesänge, gemeinsame Verbeugungen. Vor diesem Hintergrund bot die Umweltbewegung eine perfekte Plattform, weil sie einen quasireligiösen Aspekt angenommen hatte. Es ging nicht nur darum, sich der eigenen Sterblichkeit zu stellen – sondern der des gesamten Planeten.
    Auch der Zeitpunkt war günstig. Die Welt befand sich an zahlreichen Fronten in beängstigenden Krisen. Die Umwelt. Die Wirtschaft. Terrorismus. Atomprogramme in Schurkenstaaten. Vogelgrippe. Nanotechnologie. Teilchenbeschleuniger. Alles schien außer Kontrolle zu geraten oder das Potenzial zu haben, die Menschheit auszulöschen. Ihre Existenz schien tagtäglich auf dem Spiel zu stehen. Was geradezu nach einem rettenden Propheten rief, einem Messias, der kommen würde, um alles in Ordnung zu bringen und ein Tausendjähriges Reich zu begründen. Und das war nicht nur ein christliches Phänomen. Jede größere Religion besaß ihre eigene Version eines großen Lehrers, der kommen und die Welt vor einer Katastrophe retten würde. Für Drucker allerdings kam es nur auf eine einzige an.
    Letztlich galt seine Sorge immer nur dem einen Problem: dass irgendwann alles auffliegen würde. Sie würden nicht auf ewig alle Menschen täuschen können. Jemand würde sich verplappern. Die Technologie würde bekannt werden. Etwas würde schiefgehen. Darum hatte er beschlossen, die Fehlbarkeit in einen Vorteil umzumünzen und seine Strategie genau damit anfangen zu lassen.
    Dieser Einfall erwies sich als ein Meisterstück.
    Alles war an Ort und Stelle. Er hatte die richtigen Partner rekrutiert, um die Sache durchzuziehen. Er musste nur auf das richtige Ereignis warten, auf etwas Großes, das ausreichend Gefühle hervorrief. Er wusste, dass so etwas früher oder später passieren würde. Der Planet war in Aufruhr, er kochte vor Zorn. Rund um den Globus ereigneten sich ständig weitere Naturkatastrophen. Und die Katastrophe, die Drucker schließlich genutzt hatte, erwies sich geradezu als ein Geschenk der Götter. Das Beste daran war die Rolle, die die Medien spielten. Sie hatten die Täuschung ohne Zögern geschluckt. Das Thema war emotional, es war gewaltig, und es drehte sich – zumindest in der heiklen Anfangsphase – um die Rettung des Planeten, ein Herzensthema der sendungsbewussten Presseleute.
    Ein Jammer, dachte Drucker und legte die Fingerspitzen vor den geschürzten Lippen aneinander. Er hätte es Rydell gegönnt, mit an Bord zu sein.

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