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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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erklärte er kurz angebunden. «Ich fürchte, Bruder Amin hat seine Befugnisse überschritten, als er Sie hierher eingeladen hat.» Er bot ihnen nicht die Hand an.
    «Pater», sagte Finch, «bitte verzeihen Sie, dass wir hier so hereinplatzen. Wir waren uns der, ähm, internen Debatte über den Umgang mit dem Thema nicht bewusst. Wir wollen Ihnen gewiss keine Unannehmlichkeiten bereiten oder Ihnen zur Last fallen. Wenn Sie nicht möchten, dass wir hier sind, reicht ein Wort von Ihnen, und wir reisen wieder ab, niemand wird irgendetwas davon erfahren. Aber ich möchte Sie bitten, zwei Dinge zu bedenken. Erstens weiß niemand, dass wir hier sind. Wir haben nur eine einzige Person eingeweiht, unseren Chef. Er weiß als Einziger im Sender Bescheid. Sie brauchen also nicht zu befürchten, dass hier unseretwegen plötzlich ein Medienzirkus losbricht. Das würden wir nicht zulassen.»
    Er machte eine Pause, wohl weil er sehen wollte, ob seine Worte irgendeine Wirkung zeigten. Gracie war sich nicht sicher, aber sie hatte den Eindruck, dass der Abt ein nicht mehr ganz so finsteres Gesicht machte.
    «Zweitens», fuhr Finch fort, «sind wir ausschließlich hier, um unseren Beitrag dazu zu leisten, dass wir alle, Sie, Pater Hieronymus und wir, die außergewöhnlichen Ereignisse verstehen, deren wir gerade Zeuge werden. Sie wissen vermutlich, dass wir dort gewesen sind. In der Antarktis. Wir haben die Erscheinung aus nächster Nähe gesehen. Wir sind jetzt vor allem deswegen hier, weil wir Augenzeugen sind. Ohne Ihr Einverständnis werden wir nichts davon nach außen tragen. Was wir hier sehen und besprechen, bleibt unter uns, bis Sie uns eine Sendeerlaubnis geben.»
    Der Abt musterte ihn, sah kurz zu Gracie und Dalton, bedachte Bruder Amin mit einem missbilligenden Stirnrunzeln und wandte sich dann wieder an Finch. Er nickte langsam. «Sie möchten mit Pater Hieronymus reden.»
    «Ja», sagte Finch. «Wir würden ihm gerne erzählen, was wir gesehen haben. Ihm die Filmaufnahmen zeigen. Vielleicht hat er ja eine Erklärung dafür.»
    Der Abt nickte erneut. «Nun gut.» Er hob mahnend den Zeigefinger. «Aber ich habe Ihr Wort, dass nichts davon ohne mein Einverständnis nach außen gelangt.»
    «Sie haben mein Wort, Pater.» Finch lächelte.
    Der Abt betrachtete Finch noch einen Moment lang, dann forderte er sie auf, mitzukommen.
    Er lud sie in den Neubau des Komplexes ein, ein zweistöckiges stuckverziertes Gebäude aus den siebziger Jahren.Finch und Gracie folgten ihm, während Dalton zum Wagen zurückeilte. Bruder Amin hatte ihnen gesagt, dass es im Kloster keinen Fernseher gab, und sie brannten darauf, das Bildmaterial aus der Arktis sowie die Reaktionen darauf zu sehen.
    Gracie und Finch nahmen dankend ein Glas Wasser und einen kleinen Teller mit Käse und frischen Datteln an. Sie hatten kaum Zeit, ein paar freundliche Bemerkungen auszutauschen, als Dalton den Kopf zur Tür hereinsteckte.
    «Wir sind so weit.»
    Sie gingen hinaus. Dalton hatte seinen Laptop an die zusammenklappbare Satellitenschüssel angeschlossen und die Homepage des Senders aufgerufen. Gracie, Finch, der Abt und der Mönch drängten sich um ihn, während er das Video über die Sichtung des Phänomens bei Grönland abspielte.
    Einer eingeblendeten Landkarte zufolge war es über dem Carlsbad-Fjord an der Ostküste Grönlands aufgetaucht, sechs- oder siebenhundert Kilometer nördlich des Polarkreises. Die verwackelten, körnigen Bilder waren Gracie auf unheimliche Weise vertraut. Sie stammten nicht von einem professionellen Fernsehteam, sondern von Wissenschaftlern, die die Auswirkungen des Schmelzwassers auf die Gletscher des arktischen Inselstaats erforschten. Sie waren von der Erscheinung überrascht worden, und ihre atemlose Aufregung und hektische Aktivität waren deutlich zu spüren. Einer der Wissenschaftler, ein weißbärtiger Glaziologe des National Snow and Ice Data Center in Boulder, Colorado, gab seine Einschätzung vor der Kamera wieder. Sein Gesicht löste sich immer wieder in einzelne Pixelauf; anscheinend benutzten sie ein mit einer Webcam verbundenes Satellitentelefon.
    «Erst die Antarktis, jetzt hier – was meinen Sie, warum das geschieht?», fragte der Nachrichtensprecher aus dem Off.
    Es gab eine Verzögerung von zwei Sekunden, dann ließ die Miene des Professors erkennen, dass er die Frage gehört hatte. «Offen gestanden habe ich keine Ahnung, was das ist oder woher es kommt», antwortete er schroff, «aber ich bin mir sehr sicher,

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