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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Willkommensgeste aus. Diese Handlung schien die Menge unten nur noch mehr zu polarisieren; die Kämpfe nahmen an Heftigkeit noch zu.
    «Bitte!», rief er auf Arabisch, mit schwerem Akzent. «Bitte hört auf! Hört auf und hört mir zu!» Seine Stimme kam kaum an gegen den Lärm. Steine flogen über die Klostermauer, sprangen wild über das Dach, aber er stand einfach dort und schloss die Augen, in tiefer Konzentration, die Arme gereckt –
    Und plötzlich keuchte die Menge schockiert auf. Leute zeigten nach oben, nicht zum Priester, sondern höher hinauf, in den Himmel über ihm. Gracie folgte ihren Blicken. Eine Kugel aus Licht, vielleicht sechs, sieben Meter im Durchmesser, drehte sich über dem Priester. Sie schwebte dort einen Moment lang, dann stieg sie langsam auf, wurde heller und größer und verwandelte sich in das Zeichen – in genau das Zeichen, das Gracie über dem Schelf gesehen hatte. Dort oben loderte es, ein riesiges, kugelförmiges Kaleidoskop aus sich verschiebenden Lichtmustern, die zehn Meter über Pater Hieronymus endeten.
    Die Menge unten stand erstarrt da, wie angewurzelt, wie in Trance, voller Ehrfurcht. Jetzt flogen keine Steine mehr. Niemand prügelte noch aufeinander ein. Das Gebrüll verstummte. Das Zeichen hing einfach dort, leuchtete strahlend, drehte sich langsam, fast in Reichweite, viel näher als auf dem Forschungsschiff.
    Dalton lag direkt an der Dachkante auf dem Rücken,filmte das Zeichen und richtete die Kamera dann wieder auf die Menge, um ihre Reaktion festzuhalten. Gracie kauerte neben ihm, vielleicht fünf Meter von Pater Hieronymus entfernt, der den Kopf in den Nacken gelegt hatte und zu der gleißenden Erscheinung über sich hinaufstarrte. Die Kamera schwang zurück, richtete sich auf Gracie. Sie starrte in den dunklen Abgrund der Linse und brachte keinen Ton heraus. Sie
wollte
etwas sagen, schließlich sah ihr die ganze Welt zu und wartete gespannt darauf, dass sie ihnen sagte, wie es sich anfühlte, dort zu sein. Aber sie schaffte es nicht. Dieser Moment war unmöglich in Worte zu fassen. Sie starrte zu der gleißenden Kugel aus Licht hinauf, dann senkte Pater Hieronymus den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Sie konnte sehen, dass er zitterte, dass ihm Schweiß die Wangen hinabrann. Er sah verängstigt und verwirrt aus, gequält. Seine Augen schienen sie zu fragen, ob es wirklich er war, der das dort tat. Sie versuchte, aufmunternd zu lächeln, ihm zuzunicken – und dann veränderte sich seine Miene, als hätte ihn plötzlich ein Gedanke erschreckt. Er schloss die Augen, schien sich zu konzentrieren, dann, einige Sekunden später, wandte er sein Gesicht der Menge zu. Er sah einen Moment lang auf sie hinab, dann breitete er die Arme aus und sah zu dem Zeichen hinauf. Er schloss erneut die Augen und holte tief Luft, badete im Licht der Erscheinung, nahm ihre Energie in sich auf. Die Menschen unten waren immer noch wie gelähmt, sie starrten nach oben und reckten die Hände zum Himmel, als wollten sie das Zeichen berühren.
    Pater Hieronymus stand mehr als eine Minute lang mitausgebreiteten Armen da, dann öffnete er die Augen wieder und wandte sich an die Menge.
    «Betet mit mir!», rief er, von Gefühlen überwältigt. «Lasst uns alle gemeinsam beten.»
    Und das taten sie.
    Eine Welle ging von vorn nach hinten durch die Menschenmenge, als jeder Einzelne, der da draußen vor den Klostermauern stand – ob Christ oder Muslim, Gläubiger oder Zweifler   –, auf die Knie fiel und sich in bangem Gebet in den Staub warf.

KAPITEL 41
    WASHINGTON, D.   C.
    «Was zum Teufel treiben Sie da? Ich dachte, wir wären uns einig gewesen.»
    Rydell schäumte vor Zorn. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Er hatte die Nachrichten verfolgt. Die Bombe aus Ägypten war kurz nach Mitternacht hochgegangen, und als er neben einem leeren Hangar auf dem Reagan International Airport in der Kabine seines Privatjets hin und her tigerte, bereiteten ihm die Bilderfetzen noch immer Kopfschmerzen.
    «Einig würde ich das nicht gerade nennen, Larry.» Drucker sah aus seinem weichgepolsterten Sitz zu ihm hoch. «Sie haben sich ja gegen jede andere Vorgehensweise gesperrt.»
    «Und da haben Sie es einfach trotzdem durchgezogen, ja?»
    «Wir beide haben viel in diese Sache investiert. Ich wollte das nicht alles aufs Spiel setzen, nur weil Sie so stur sind.»
    «Stur? Sie wissen nicht, was Sie tun, Keenan. Haben Sie eigentlich mal darüber nachgedacht, wo das Ganze jetzt hinführen soll?»
    «Es

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