Menetekel
so?»
«Es spielt keine Rolle, was es darstellt. Wichtig ist nur, dass es da ist. Es schwebt da oben, und alle sehen es und wollen dabei sein. Ich glaube, Ihnen ist noch nicht recht klar, worum es hier geht, Nelson. Katholik, Protestant, Baptist, Presbyterianer, Quäker oder Amish – ja sogar Mormone, Jude, Muslim oder meinetwegen Scientologe: Das spielt alles keine Rolle mehr. Sie haben recht, da oben hängt kein Kreuz. Aber eben auch kein Davidsstern oder Halbmond oder sonst ein Symbol der großen Religionen. Dieses Zeichen verändert das Spiel. Es ist ein völlig neues Paradigma. Es könnte der Anfang von etwas sein, das größer ist als alles, was wir je erlebt haben, etwas Neues, etwas Globales. Und wie wir in der Geschichte immer wieder gesehen haben, bringen solche Ereignisse große Institutionen hervor. Im Moment gibt es diese neue Institution noch nicht. Bloß einen Mann und ein Zeichen am Himmel. Aber die Menschen strömen in Scharen zu ihm. Und Sie, Nelson, müssen sich entscheiden, ob Sie dabei sein wollen oder nicht. Im Moment könnten Sie mit einem Satz an den anderen vorbeiziehen, indem Sie sich mit ihm zusammentun. Das kann sich rasch ändern … ehe man sich’s versieht. Gerade weil es nichts Spezifisches darstellt, kein christliches Symbol ist, könnten Sie sich, wenn Sie als Einziger nicht mitziehen, vor reihenweise leeren Kirchenbänken wiederfinden. Und das wäre doch nicht schön, oder? Sie möchten doch nicht ins Hintertreffen geraten?»
«Hat er es Ihnen abgekauft?», fragte Drucker den Journalisten.
«Also bitte», antwortete Buscema spöttisch. An den Nebengeräuschen war zu hören, dass er von seinem Autotelefon aus anrief. «Er ist dermaßen scharf darauf, dass man es kaum mit ansehen kann.»
«Treffen Sie sich nochmal mit Schaeffer?»
«Er hat mir seit unserem letzten Gespräch zwei Nachrichten hinterlassen. Scofield ebenfalls. Ich lasse die beiden noch ein bisschen schwitzen, dann rufe ich sie zurück.»
Guter Mann,
dachte Drucker. Es hörte sich ganz danach an, als hätten sie den ersten dicken Fisch schon an der Angel. Mit ein bisschen Glück gelang ihnen ein Rekordfang.
KAPITEL 46
BOSTON, MASSACHUSETTS
Matt und Jabba saßen vor einem modernen, fünfstöckigen Bürogebäude in Seaport in dem blutbefleckten Camry.
Matt hatte den Schirm einer Baseballmütze ins Gesicht gezogen und den Kragen seiner Jacke hochgeschlagen. Vom Beifahrersitz aus musterte er das Gebäude in stillem Zorn. Es handelte sich um ein architektonisches Armutszeugnis: ein Klotz aus Ziegeln und Glas mit einem großen Parkplatz davor. Am Vordereingang war kein Firmenschild zu erkennen; vermutlich mieteten sich kleinere Unternehmen ein, die je nach Umsatz kamen und gingen wie Ebbe und Flut.
Am frühen Morgen hatte es geschneit. Eine dünne Schneeschicht bedeckte den Asphalt und betonte die kahlen Äste der vereinzelten Bäume.
Sie hockten jetzt schon eine halbe Stunde dort, einmal hatte jemand das Gebäude betreten, sonst war gar nichts geschehen. Von dem Fiesling keine Spur.
Die Schmerzmittel zeigten Wirkung, aber wenn Mattsich bewegte, tat die Schussverletzung wieder weh. Ihm war noch immer schwindelig, was wahrscheinlich am Blutverlust lag. Sein Körper flehte ihn an, ihm Zeit zum Heilen zu geben, stieß aber auf taube Ohren. Matt konnte sich auf den Beinen halten; das musste im Moment reichen.
«Ich werfe da mal einen Blick rein.» Er streckte den Arm nach dem Türgriff aus und verzog das Gesicht, als der Schmerz kam.
«Keine gute Idee, Mann. Du solltest überhaupt nicht hier sein. Sieh dich doch an.»
«Nur ganz kurz.» Aber als Matt die Tür aufstieß, legte Jabba ihm eine Hand auf die Schulter und hielt ihn zurück.
«Ich mach das», sagte Jabba.
Matt sah ihn an.
«Ich mach das», wiederholte der Wissenschaftler etwas lauter. «Wenn ich in fünf Minuten nicht wieder draußen bin, rufst du die Polizei.» Er drückte Matt sein iPhone in die Hand. Dann fing er sich und grinste. «Himmel, ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde.»
Matt ging nicht darauf ein. «Schnüffel bloß nicht zu viel dort herum.»
Jabba sah ihn entsetzt an. «Also wirklich, manchmal habe ich das Gefühl, du kennst mich gar nicht», jammerte er scherzhaft; dann stieg er aus.
Er sah immer wieder nach links und rechts, während er über den Parkplatz schlenderte, und übertrieb die lässige «Ihr braucht gar nicht auf mich zu achten»-Haltung etwas. Aber es war niemand da, der es hätte bemerken
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