Mensch, Martha!: Kriminalroman
Mann wie Sie und ich!« Aus Martha
platzt ein kleiner Lacher heraus und Thomas wirft ihr einen
missbilligenden Blick zu. Das macht es fast schlimmer. Sie taucht ab
und sucht in ihrem Rucksack nach einem Taschentuch.
»Ich lege für ihn die Hand
ins Feuer«, fährt Körner fort. Er macht eine Pause, als hätte er
etwas abzuwägen. »Obwohl mir heute eine Erzieherin aus dem Roten
berichtet hat, dass zwei andere Mädchen Ähnliches erlebt haben
wollen. Aber das nehme ich nicht ernst.«
Das überlass mal uns, was
hier ernst zu nehmen ist.
»Wir werden mit Nicole
Scherbaum noch einmal sprechen müssen«, erklärt Martha. Und
mit den anderen beiden auch.
»Nicole ist bis dreizehn Uhr
in der Schule. Mir wäre es recht, wenn Sie in unser Haus Tannenwald
kommen könnten. Ich möchte gerne dabei sein, wenn Sie Ihre Fragen
stellen.
Das hab ich mir gedacht. »Ja
natürlich.«
»Ich habe ein Recht darauf.«
Zwischen diesem Körner und der Dienstbesprechung
schafft Martha eine schnelle Zigarette in ihrem Büro. Nummer zwei
von fünf.
In Straßenbergers Büro steht
ein kleiner Tisch, an dem sie Platz nehmen. Die Kaffeemaschine
gurgelt, Straßenberger hat Butterbrezen aus der Kantine geholt.
Das verheißt nichts Gutes.
Martha schätzt die Situation
richtig ein. Kaffee und Brezen sind keine Geste von Freundlichkeit,
sondern ein Versuch, die Situation von vorneherein zu entschärfen.
»Was war denn das für eine
Aktion am Samstag?« Straßenberger wirft den Hefter auf
den Tisch. Es ist die Akte Nicole Scherbaum. Einzelne Zettel
fallen heraus und flattern ausgerechnet Martha entgegen.
Thomas sammelt sie wieder ein.
»Ich kann nicht glauben, dass
es wahr ist, was ich hier lese!«
Diese Vorstellung gilt mir!
Thomas reicht die Zettel über
den Tisch. »Jetzt sag’ konkret, was schief hängt!«
»Einiges! Hier hängt einiges
schief!« Straßenberger holt Luft. »Man lässt am Samstagvormittag
einen Streifenwagen vorfahren, um einen Kinderarzt abzuführen. Einen Streifenwagen schickt man los!«
»Das war nicht man, das war
ich. Ich hab das veranlasst. Und wie Sie sicher der Akte entnommen
haben, hatte ich gute Gründe!« Martha würde gerne einen Schluck
Kaffee nehmen, da ihre Zunge am Gaumen klebt. Sie lässt es bleiben,
weil die anderen dann merken könnten, wie sehr ihre Hand
zittert.
Straßenberger schüttelt den
Kopf. »Nein Martha, das hatten Sie nicht. Es gab keinen einzigen
Grund für einen Streifenwagen. Und schon überhaupt keinen guten.
Der Mann hat keine Vorstrafen. Er hat einen festen Wohnsitz. Er ist
ein unbescholtener Bürger, und Sie veranstalten ein
In-den-Straßen-von-San-Francisco-Tamtam!«
»Die Mädchen von diesem
Tannenwald-Heim müssen alle zu Dr. Radspieler, wenn sie krank sind.
Er ist sozusagen der Hausarzt. So gesehen handelt es sich um
Missbrauch von Schutzbefohlenen ...«, verteidigt sich Martha.
»... würde es sich um
Missbrauch von Schutzbefohlenen handeln. Wäre es so. – Martha, um
das herauszufinden, brauchen wir keinen Streifenwagen!«
»Haben Sie das Protokoll
gelesen?« fragt sie und wagt endlich, nach ihrer Tasse zu greifen.
»Ja, das habe ich. Ich werde
gleich etwas dazu sagen. Zuerst aber sagen Sie mir: Was haben Sie
sich dabei gedacht, einen Streifenwagen loszuschicken?«
Gute Frage. Was habe ich mir
dabei gedacht? Ich hab mir nichts dabei gedacht. Ich hab aus dem
Bauch heraus gehandelt. Amerikanische Wissenschaftler haben
herausgefunden, dass man dort meist die richtigen Entscheidungen
trifft.
»Ich hab nicht nachgedacht«,
gesteht Martha und ärgert sich, weil es so kleinlaut daher kommt.
Becker greift nach einer Breze. »Ja, Martha, der Streifenwagen war
schon harter Tobak!« sagt er.
Ersticke an deiner Breze.
Verende vor meinen Augen qualvoll hier auf dem Fußboden!
»Ich denke, über eines sind
wir uns einig«, fährt Straßenberger fort. »Der Streifenwagen war
ein Schnitzer. Sie hätten ihn ganz normal vorladen können.
Allenfalls einen Zivilwagen schicken. Der hätte mehr als gereicht.«
Martha muss ihm recht geben,
ärgert sich aber trotzdem über diesen väterlichen Ton.
Straßenberger läutet die
zweite Runde ein. »Ich habe mir heute Morgen die Gesprächsprotokolle
durchgelesen. – Haben Sie die Unterlagen schon der
Staatsanwaltschaft gefaxt?«
»Nein«, antwortet Martha.
»Ich wollte es nicht zur Wochenendbereitschaft geben. Der Arzt
hat keinen direkten Zugang zu den Kindern. Von daher dachte ich,
es hätte Zeit bis heute.« Missbrauch
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