Mensch, Martha!: Kriminalroman
sich so fest, bis eine aua! sagt und somit
verloren hat. Martha zieht den Kürzeren.
Während Rebekka Schuhe und
Jacke auszieht, erzählt sie von der Schule, von der dicken Lilli,
die in Sport heute von den Buben ausgelacht wurde, von den
Drittklässlern, die in der Pause immer schubsen, und davon, dass sie
am Montag auf einen Kindergeburtstag eingeladen ist. »Du musst
morgen mit mir ein Geschenk kaufen gehen!«
»Mach ich. Von wem hast du
denn das Tuch?«
»Von Barbara.«
»Sieht süß aus, gell?« sagt
Barbara und zupft es ihr an der Stirn zurecht.
»Trinkst du eine Tasse Tee
mit?«
»Gerne.«
Rebekka freut sich über
Benjamin Blümchen. »Ich höre mir die Kassette an. Ihr redet ja
doch bloß wieder erwachsenes Zeug«, sagt sie und verschwindet in
ihrem Zimmer.
Barbara stellt eine Tüte mit
Tupper-Schüssel auf den Küchentisch. »Das ist Hackbraten.
Beste Grüße von Mama.« Ich sollte Vegetarierin werden!
Martha trägt Tee und Kuchen
ins Wohnzimmer; Barbara geht das CD-Regal durch. »Darf ich Musik
machen?«
»Ja, aber bitte nicht
Grönemeyer!«
»Ich dachte, den hörst du
gern?«
»Im Moment gerade nicht.«
Barbara legt Phil Collins auf.
Martha stellt fest, dass Barbara um ein weiteres Loch am Gürtelende
dünner geworden ist.
»Wie geht’s dir denn?«
fragt sie, während sie Tee eingießt.
»Es geht.«
»Etwas genauer?«
Barbara setzt sich in den
großen Sessel und legt sich ein Stück Streuselkuchen auf den
Teller. »Rainer lässt mich nicht in Ruhe. Er will Geld von mir.«
»Geld?« Martha ist
überrascht.
»Ja. Er hat eine Art
Spesenrechnung aufgestellt. Sein Flugticket zum Beispiel, das Geld,
das ich mitgenommen hab und was weiß ich noch alles.«
»Und was machst du?«
Barbara tippt sich mit dem
Finger an die Stirn. »Ich werde dem noch Geld geben!«
»Er lässt dir keine Ruhe. Was
heißt das konkret?«
Barbara schlürft Tee. »Er
ruft mitten in der Nacht an. Deshalb schalte ich mein Handy ab und ab
zehn Uhr stecke ich das Telefon aus.«
»Und sonst?« Martha ahnt,
dass es sich nicht in Telefonterror erschöpft.
»Vorgestern Abend war ich mit
Kathrin und Greta im Kino. Er hat mich abgepasst, als ich nach Hause
kam. Er stand im Schatten der Garage.«
»Und dann?«
»Dann hab ich losgeschrien.
Auf der anderen Straßenseite waren zwei Spaziergänger mit Hund. Sie
wurden aufmerksam. Da hat er sich vom Acker gemacht.« Barbara hat
ihre Tasse geleert und betrachtet den Tassenboden, als könnte
sie daraus die Zukunft lesen.
»Hast du Angst vor ihm?«
fragt Martha.
»Nein. Aber manchmal schmerzen
die Handgelenke noch.« Sie pflückt Streusel von ihrem Kuchenstück
und isst sie einzeln. »Mama hat recht behalten. Sie war von Anfang
an gegen diese Reise.«
»Nein!« widerspricht Martha
und gießt Tee nach. »Mama hat eben nicht recht behalten! Ihre
Sorgen bezogen sich auf Malaria, Schlangenbisse und Kellner, die den
Touristen Drogen in die Getränke mischen, um sie anschließend
auszurauben. Es ist Rainer gewesen, der dich verletzt hat. Keine
Giftschlange aus dem Regenwald.«
Barbara seufzt. »Aber das
werde ich ihr nicht sagen.«
»Mama glaubt immer, recht zu
haben. Grob betrachtet stimmt es auch. Aber die Wirklichkeit ist
erstens anders und zweitens komplizierter als sie denkt.«
»Deine Wirklichkeit auch?«
fragt Barbara und lässt zwei Stücke Kandiszucker in die Tasse
plumpsen.
»Sie ist der Meinung, dass
mein Leben nicht stimmt. Und sie führt
es auf zwei Ursachen zurück: meinen Beruf und den fehlenden
Ehemann.«
»Und? Stimmt dein Leben?«
»Ob es stimmt oder nicht,
es ist meines. Ich hab kein anderes im Schrank.« Wer seine
Mitte nicht verliert, der dauert. Sagt Laotse. Der muss es wissen. Martha geht zum Fenster, weil sie eine Zigarette rauchen will.
»Ich könnte Öl in das Feuer
gießen. Indem ich dir Mamas Grüße im Gesamtwortlaut ausrichte«,
sagt Barbara und verzieht das Gesicht.
»Mach schon. Ich kann es mir
denken. Gieß zu!«
»Du sollst den Mund nicht so
voll nehmen. Und nicht die beleidigte Leberwurst mimen. Der
Grund für deine schlechte Laune würde darin liegen, dass sie
vorgestern den Nagel auf den Kopf getroffen hätte ...«
»Na bitte, was sag ich denn?«
Martha bläst den Rauch aus dem Fenster.
»Mama hat gestern richtig
Stress gemacht. Vor deinem Anruf. So in der Art: Wo bleibt sie bloß?
Man weiß nicht, ob sie shoppen geht oder in einer Schießerei
umgekommen ist ...«
»Ach du Scheiße!« stöhnt
Martha. »Hat sie das an Rebekka
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