Mensch, Martha!: Kriminalroman
Pistole in der Hand.
Thomas biegt vor der großen Kreuzung nach rechts
in die Straße zum Gewerbegebiet ein. Er schaltet die Scheinwerfer
aus, stellt den Motor ab und lässt den Wagen ausrollen.
»Hier muss es sein. Nimm das
Handy mit.«
Obwohl das ganze Areal wie
ausgestorben wirkt, ist die Straße mit Straßenlampen hell
ausgeleuchtet. Martha liest Schilling & Sohn an der
Hauswand. Durch die Milchglasscheibe an der Haustür fällt trübes
Licht. Sie bewegen sich im Schatten des Gebäudes. Die Haustür
ist verschlossen.
»Wir probieren es durch ein
Fenster. Aber Martha, wenn das nichts wird, holen wir ...«, flüstert
Thomas. Martha nickt.
Er gibt ihr ein Zeichen, dass
er es linksherum probiert und will sie auf die andere Seite schicken.
Martha zieht ihre Waffe. Mensch, Thomas, du bist unbewaffnet! Sie widerspricht ihm ohne Worte. Wir bleiben zusammen!
Martha geht voraus. Ihre Hand
ist kalt und feucht und will schon wieder zittern. Martha unterbindet
es, indem sie ihr Handgelenk mit der linken Faust umschließt. Ihr
Atem geht laut.
Alle Fenster im Erdgeschoss
sind verschlossen und mit schwarzer Folie beklebt. Auf der
Rückseite des Gebäudes parken zwei PKW. Mindestens zwei!
Sie erreichen wieder die
Vorderseite. Martha sieht Thomas an. »Und jetzt?«
Radspieler starrt nach oben auf die Pistole in
Zellers Hand. Instinktiv weiß er, dass die Situation
eskalieren wird. Dass Zeller die Konsequenzen seines
Handelns nicht mehr abwägen wird. Er zieht Rebekka an sich vorbei,
damit sie nicht zwischen ihm und dem Mann steht. Schlagartig beginnt
ihr Atem zu rasseln.
»Benutz’ dein Spray!« sagt
er und ist fast froh um diese Sekunden, die dem Mann eine
gewisse Bedenkzeit einräumen.
Rebekka zittert.
»Mach schnell!«
Er fuchtelt mit der Pistole.
»Ihr zwei Hübschen geht jetzt ganz schnell wieder zurück in eure
Unterkunft!« bellt Zeller.
Rebekka pumpt sich drei Mal in
den Mund.
»Wird’s bald!« Zeller
fuchtelt mit der Pistole.
In diesem Augenblick hechtet
Radspieler nach oben und wirft ihn mit beiden Händen gegen die Wand.
Er kann seinen rechten Unterarm fassen und hochreißen. Ein
Schuss löst sich. Rebekka schreit wie am Spieß. »Lauf weg! Lauf
weg, Rebekka! Schnell!« ruft Radspieler, während er versucht,
Zeller die Waffe abzuringen.
Rebekka steht wie angewurzelt
auf der Treppe.
»Lauf weg!«
Thomas und Martha hören den Schuss. »Das
war oben. Wir schlagen eine Scheibe ein!« entscheidet Thomas.
Die schwere Haustür öffnet
sich. Sie wird gerade so weit aufgezogen, dass Rebekka
durchschlüpfen kann. Ehe Martha oder Thomas regieren können, fällt
sie ins Schloss.
Martha will Rebekka! rufen,
findet aber keine Stimme in sich. Sie stehen sich keine fünf Meter
entfernt gegenüber.
»Mama! Mama! Da bist du ja
endlich!« Rebekka läuft auf
Martha zu und fällt ihr in die Arme.
»Rebekka, Rebekka, Rebekka!
Geht es dir gut?« schluchzt Martha.
»Mama, der hat eine echte
Pistole und will Markus erschießen!«
Thomas
sieht sich nach etwas um, mit dem er die Scheibe einschlagen kann,
bückt sich nach einem zerbrochenen Ziegelstein. »Martha, gib mir
deine Waffe!«
Rebekka klammert sich an Martha
und krallt sich so fest, dass Martha am nächsten Tag Blutergüsse an
der Taille haben wird. Sie schlüpft mit dem Kopf unter Marthas
Pullover. »Mama, ich bin so froh, weil du endlich da bist!«
»Rebekka, du musst mich jetzt
loslassen, damit ich zusammen mit Thomas ...«
»Nein!« schreit Rebekka. Sie
umschlingt ihre Mutter mit aller Kraft, die sie aufbringen kann.
»Thomas, ich helfe dir«, sagt
Martha und weiß, dass ihr Rebekka keine Chance dazu geben wird.
»Setz dich ins Auto mit ihr«,
bestimmt er. »Ruf die Kollegen!«
Martha zieht ihre Pistole aus
dem Holster und reicht sie Thomas. Sie hat ein schlechtes Gefühl.
Martha schleift Rebekka zum
Auto; sie hört Glas klirren. Sie setzt sich mit ihr auf den
Rücksitz, wählt 110 und gibt die notwendigen Informationen in fünf
Sätzen durch. Sie beobachtet, wie Thomas mit der bloßen Hand
Scherben aus dem Türrahmen zieht und hindurchsteigt. Sie versucht
Rebekka zu überreden, allein im Wagen zu warten. »Nein, nein,
nein!« weint sie unter dem Pullover. Martha hat mit nichts anderem
gerechnet.
Sie hat Mühe zu erkennen, was
sich auf dem Dach abspielt. Zwei Personen bewegen sich dort und
versetzen sich gegenseitig Hiebe. Einer von ihnen scheint eine
Pistole in der Hand zu halten, die ihm der andere abringen kann, denn
irgendetwas fällt mit lautem
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