Mensch, Martha!: Kriminalroman
leisten.
Er gibt auf. »Wer ist der
Kinderarzt?«
»Dr. Richter.«
»Gehen Sie bitte morgen –
heute – mit ihr dorthin!«
»Mache ich.«
Martha sitzt auf der Bank im
Kombi. Sie zieht Rebekka auf ihren Schoß. Im Halsausschnitt ist ihr
Haarschopf zu sehen. Martha küsst sie auf das Haar. Den Pulli
kann ich vergessen.
»Wir müssen mit Ihrer Tochter
reden«, sagt der Polizist.
»Ich komme hier aber nicht
raus. Nicht ums Verrecken!« lässt Rebekka ihn wissen.
»Egal. Dann bleibst du drin
und wir spielen Stille Post.«
»Wenn es sein muss.«
»Wir haben einen Mann
verhaftet. Waren es nicht zwei oder gar mehrere?«
»Stille Post geht aber ganz
anders!«
»Sagst du es mir trotzdem?«
»Den anderen haben wir
eingesperrt. Den Schlüssel hat Markus in der Hosentasche.«
Der Polizist winkt einem
Kollegen. »Die Tür wird aufgebrochen!« ordnet er an.
»Wir bringen Sie und Ihr Kind
jetzt nach Hause. Ihr Kollege wird uns fürs Erste behilflich sein.«
Thomas klopft an die offene
Wagentür.
»Mensch, Thomas!« Martha
klettert aus dem Wagen, Rebekka schleift sie mit.
Seine rechte Hand blutet. Er
hat sie mit einem Stofftaschentuch umwickelt, das völlig
blutdurchtränkt ist. Jetzt versteht Martha auch, was der Sanitäter
von ihm will, der ihm auf Schritt und Tritt folgt. Gute Arbeit
leisten.
»Was ist mit dir passiert?«
»Geschnitten.« Thomas hebt
die Hand hoch als wollte er einen Eid ablegen. Das Blut läuft in
seinen Ärmel. Er legt seinen linken Arm um Marthas Hals und zieht
sie, um Rebekka nicht zu erschrecken, vorsichtig zu sich heran.
»Mensch, Martha!«
»Mensch, Thomas!« Sie lehnt
ihre Stirn an sein Brustbein.
»Thomas?«
»Hmm?«
»Warum benutzt du eigentlich
immer Stofftaschentücher?«
»Ich mag die anderen nicht.
Ich finde Stofftaschentücher ... männlich.«
»Thomas?«
»Ja?«
»Das mit deinem Vater tut mir
leid.«
»Es ist lange her, Martha. Es
ist vorbei.«
Der Sanitäter räuspert sich.
»Jetzt muss ich aber wirklich
mal nach Ihrer Hand sehen!«
Thomas küsst Martha auf die
Wange. »Ich melde mich morgen bei dir. Grüß deine Tochter von
mir!« Dann folgt er dem Sanitäter in den Sanitätswagen.
Der junge Polizist bringt Martha und Rebekka nach
Hause. Martha trägt die schlafende Rebekka drei Stockwerke
hoch. Der Polizist hätte sie ihr gerne abgenommen, aber Martha will
nicht. Er schließt ihnen die Tür auf und schlägt sie dann viel zu
laut zu.
Martha legt Rebekka in ihr
Bett. Sie zieht ihr Hose und Bluse aus und deckt sie zu. Rebekka hat
getrocknetes Blut an den Händen. Martha weiß, dass es das Blut
Radspielers ist. Ihr Gesicht ist schmutzig. Martha holt einen
nassen Waschlappen und wischt ihr über Gesicht und Hände.
Martha kann nicht anders. Ohne
Rücksicht auf die Hausgemeinschaft duscht sie sich um drei Uhr
morgens. Ich hab gar nicht gemerkt, wann die Geisterstunde zu
Ende ging.
Herr Salger kann nicht schlafen. Er notiert:
Lautes Getrampel im Treppenhaus um 23.05 Uhr. Türenknallen um
2.30 Uhr. Duschen von 2.50 Uhr bis 3.12 Uhr.
Er
hat fest vor, sich bei der Hausverwaltung zu beschweren. Mittags hört
er die Nachrichten des Lokalsenders und zerreißt seine Notizen.
–20–
Martha hat so gut wie gar nicht geschlafen. Um
fünf Uhr ist sie ein einen kurzen, traumlosen Schlaf gefallen, aus
dem der Funkwecker sie um sechs zurückgeholt hat.
Sie sieht nach Rebekka.
Die liegt zusammengerollt quer in ihrem Bett. Martha
streichelt ihre Hand und wischt sich mit dem Zipfel der Bettdecke
eine einzelne Träne weg.
Sie
lüftet das Wohnzimmer, leert den Aschenbecher, und wirft die
Brote, die Thomas am Abend belegt hat, in den Mülleimer. Sie kocht
Kaffee und stellt sich unter die Dusche. Sie kremt sich mit der
Rosenlotion ein, zieht sich an und setzt sich mit einer Tasse Kaffee
auf das Sofa. Ich glaube, ich spüre die harmonisierende Wirkung.
Um Viertel nach sieben ruft sie
auf der Dienststelle an. Sie will sich für heute entschuldigen, weil
Rebekka nicht zur Schule geht.
Straßenberger weiß schon
Bescheid. »Martha! Um Gottes Willen! Wie geht es Ihrer Tochter? Wie
geht es Ihnen?«
»Wir sind okay, ehrlich. Aber
ich fürchte, Hiller hat sich ziemlich übel in die Hand
geschnitten.«
»So was verheilt schnell. –
Martha, Sie nehmen sich Überstunden. Oder noch besser: Melden
Sie sich krank!« Was sagt denn da der Steuerzahler?
Als nächstes ruft sie in
Rebekkas Schule an und entschuldigt sie. »Können Sie absehen, ob
Rebekka morgen wieder kommt?« fragt die Dame
Weitere Kostenlose Bücher