Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
wieder zurückzukehren.
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E ine gute Stunde nach dem Gespräch mit Ebba Hermansson Grundt fährt Inspektor Gunnar Barbarotti mit dem Fahrstuhl hinunter in die Cafeteria des Polizeipräsidiums, um zwei Tassen schwarzen Kaffee zu trinken und über das Leben nachzudenken.
Es ist der dritte Arbeitstag nach vier Wochen Urlaub, und er kann sich nicht daran erinnern, dass es ihm vorher jemals so schwer gefallen ist, nach den Ferien wieder in Gang zu kommen. Er ist bereits mit mehreren verschiedenen Ermittlungen beschäftigt, unter anderem mit einer traurigen Geschichte, bei der ein türkischer Pizzeriabesitzer es leid war, von einer Bande fremdenfeindlicher Jugendlicher traktiert zu werden und einen neunzehnjährigen Jüngling mit einem Golfschläger erschlug. Zwei gut gesetzte Schläge, einer auf jede Schläfe, ein Eisenhieb. Soweit Gunnar Barbarotti verstanden hat, beruft er sich auf Notwehr.
Nur dumm mit zwei Schlägen, wenn es doch einer getan hätte, wie Eva Backman meint. Das wird ihn sechs Jahre extra kosten. Andererseits gut, wenn Einwanderer anfangen, Golf zu spielen. Damit sind sie auf dem besten Weg in die schwedische Gaunergesellschaft.
Gunnar Barbarotti seinerseits war nie Mitglied eines Golfclubs, aber er hat fünfzehn Fotos von dem zerschmetterten Schädel des Jungen gesehen und weiß nicht, was er davon halten soll.
Außerdem ist es heiß. Der Hochsommer glüht wie ein vergessenes Bügeleisen, obwohl man schon bald Mitte August hinter sich hat, es ist ein Gefühl... ein Gefühl, als wäre es einfach nicht in Ordnung, zu arbeiten. Barbarotti hat die ersten Wochen seines Urlaubs mit seinen drei Kindern in einer gemieteten Hütte in Fiskebäckskil verbracht, die letzten beiden in Griechenland. In Kavalla und auf der Insel Thasos genauer gesagt, dort war es zwar noch heißer, aber dort gab es auch ein verdammt blaues Meer und eine Frau namens Marianne. Letztere traf er bereits am zweiten Abend in einer Taverne. Sie war auf der Flucht vor einem havarierten Verhältnis mit einem manisch-depressiven Physiklehrer, zumindest behauptete sie das, und ausnahmsweise dachte Gunnar Barbarotti: ja, warum nicht? Sie trennten sich auf dem Flugplatz von Thessaloniki vor gerade sechs Tagen mit der Abmachung, erst nach einem Monat wieder von sich hören zu lassen. Dann wollte man sehen.
In Kymlinge gibt es kein Meer und keine Marianne.
Aber einen Kommissar Asunander, der unter außergewöhnlich schlechter Laune leidet, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass seine Zähne bei der Hitze noch schlechter sitzen. Er ist mundfauler und schärfer als je zuvor an diesem infam heißen Augusttag, es gibt Stimmen, die behaupten, sein Hund hätte im Urlaub außerdem noch vier tote Welpen geboren, aber niemand traut sich, ihn zu fragen.
»Hermanssons!«, faucht er beispielsweise und rollt mit den Augen, als Gunnar Barbarotti mit größter Vorsicht das Thema anschneidet. »Nicht eine Minute darf mehr verstreichen, bevor die Person gefunden wird! Oder beide! Prioritäten setzen oder Job wechseln! Fundbüro sucht Leute.«
»Ich wollte nur wissen, ob während meines Urlaubs etwas passiert ist«, sagt Gunnar Barbarotti.
»Ist genug passiert, um deine Nase nicht in einen Fall zu stecken, der schon halb ein...!«, stänkert der Polizeichef, »… gestellt ist! Zwei Schulen abgebrannt, vier ungeklärte Vergewaltigungen, acht Miss... handlungen und Einbruch bei einer Gärt … nerei. Und ein Türke bringt Leute mit Golfschläger um!«
»Danke«, sagt Gunnar Barbarotti. »Ich verstehe.«
Aber warum überfällt man eine Gärtnerei?, überlegt er, als er im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten ist. Haben die Banken kein Geld mehr? Und sind acht Monate nicht etwas kurz, um einen Fall mit zwei Verschwundenen ad acta zu legen?
Aber der Fall Hermansson-Grundt rührt sich wie gesagt nicht vom Fleck. Soll man zwischen Zimtschnecke und Berliner entscheiden, nimmt man die Zimtschnecke und bereut es sofort. Wenn er darüber nachdenkt – über den Fall und nicht über die Zimtschnecke natürlich, jetzt vermischen sich die Gedankenströme, und offensichtlich stimmt etwas mit der Klimaanlage hier unten in der Cafeteria nicht, es ist heiß und feucht wie in einer Sauna -, und er hat den ganzen Frühling und Sommer immer wieder darüber nachgedacht, dann hat er das Gefühl, dass das Ganze an so ein blödes Rätselspiel erinnert, das niemand lösen kann. Gunnar Barbarotti hatte in der Oberstufe einen Lehrer, der es liebte, seinen Schülern derartige
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