Menschen minus X
geschoben hatte. Aber weitere Schriftzüge erschienen nicht mehr – Schlingel, das blieb alles, ein Neckname für ein Kind …
Immer wieder blickte Ed sich um, als erwarte er jemand. Verschiedentlich sagte er halblaut: „Onkel Mitch, du mußt hier sein, irgendwo …“
Es kam keine Antwort.
Die von der Straße herüberschallenden Geräusche übertönten Tom Grangers Eintreten. Von seinem Mikroskop auffahrend, fand Ed den völlig unerwarteten Besucher dicht neben sich. Zusammen mit Granger war ein zweiter Mann erschienen, offensichtlich ein Polizeidetektiv in Zivil. Und im Hintergrund, nahe der Tür, stand Eds Mutter. „Eddie“, flüsterte sie furchtsam und verstört, „wenn du etwas weißt, sag es. Wir wollen uns wegen Mitch keinen neuen Kummer aufbürden.“
„Was denn sagen?“ fragte Ed und stand auf.
„Wo Mitchell Prell steckt!“ verlangte Granger zu wissen. „Sie sagten vorhin einiges, was uns vermuten läßt, daß er sich in der Nähe befindet.“
Eds Kehle war wie zugeschnürt. Es war ihm sofort klar, daß das Elternhaus seit Jahren ständig von Spähstrahlgeräten kontrolliert worden war. Aber Spähstrahlgeräte, und mochten sie inzwischen noch so sehr verfeinert sein, waren bestimmt nicht imstande, derart kleine Dinge wie einen Namenszug auf einem Blatt Papier festzustellen. Also mußte man jetzt auch über Instrumente verfügen, die sogar halblautes Sprechen oder Raunen im Innern eines Hauses aus meilenweiter Entfernung erlauschen konnten!
Alle Selbstbeherrschung zusammenreißend, rang sich Ed ein Lachen ab. „Oh, Granger!“ rief er. „Sie haben also irgendein Gemurmel von mir aufgefangen. Na schön. Es ist, wie Sie wissen sollten, ein verhältnismäßig harmloses Nervositätssymptom. Nein, Granger, ich weiß nicht, wo Mitchell Prell stecken mag. Ich weiß es wirklich nicht, so sehr ich auch wünsche, es zu wissen.“
Der Polizeidetektiv in Zivil hatte sich inzwischen im Zimmer umgesehen. Jetzt starrte er vornübergebeugt in das Mikroskop und winkte Granger herbei. „Was bedeutet dieses Wort Schlingel, Dukas?“ fragte Granger.
„Vielleicht meinen geheimen Kosenamen für Sie, Granger?“ meinte Ed lächelnd. „Aber um die Wahrheit zu sagen: Ich weiß es nicht. Das Wort dürfte gar nichts bedeuten. Ich kann mich zwar nicht erinnern, doch mag es so gewesen sein, daß ich, um ein Stäubchen aus der Feder zu entfernen, dieses sinnlose Wort schrieb und es nachher, ganz in Gedanken, unter das Mikroskop steckte. Aber gut – machen Sie eine große Sache daraus. Ihr Begleiter kann das Papier mitnehmen. Vielleicht wissen die Polizeilaboratorien etwas damit anzufangen. Sagen Sie, Granger, wollen Sie mich nicht vorsichtshalber auch psychotesten lassen? Solche Scherze hat man schon vor zehn Jahren mit mir gemacht. Aber dieses Mal würde ich auf meinem Recht bestehen und verlangen, daß ein Gerichtsbeschluß beigebracht wird, ehe man anfängt, in meinem privatesten Eigentum, meinem Gedächtnis, herumzuwühlen!“
„Ja, ja, gewiß, das Papier nehmen wir mit“, erklärte nun der Polizeidetektiv, „und Sie auch, Mister. Denn den Gerichtsbeschluß von dem Sie sprachen, haben wir vorsorglich bereits erwirkt.“
„Dukas“, sagte Granger mit betonter Nachsicht, „werden Sie es denn nie begreifen? Wir haben uns eines seelenlosen Terrorsystems zu erwehren. Wir müssen hart und rücksichtslos sein. Sie sollten stolz sein, Dukas, mit uns zusammenarbeiten zu dürfen. Wir hatten stets den Verdacht, daß Prell noch lebt – irgendwo im Verborgenen. Zweimal schon ist er mitschuldig geworden an unseligen Entwicklungen, wenn auch unabsichtlich. Wir müssen ihm Einhalt gebieten, ehe er uns abermals in ein größeres Unheil stürzen kann!“
„Verraten Sie mir eins, Granger“, sagte Ed, „ich bin neugierig. Sind Sie an der Erschaffung der menschenzerschmetternden Vitaplasmamonstren mitbeteiligt? Terror zu üben und den Verdacht auf jemand anderen zu lenken, ist ein alter Trick in Krieg und Politik.“
„Niemals würde ich meine Hände mit solchem Höllenwerk besudeln, Dukas!“ brauste Granger voller Pathos auf. „Und nun, denke ich, möchte mein Begleiter Sie zur Polizei mitnehmen.“
In der örtlichen Polizeizentrale wurde Ed unter die Psychotest-Apparatur gesetzt.
Als er bei Morgengrauen erwachte, galt sein erster Blick dem Papier in seiner Hand, das er am Abend vorher bereitgelegt hatte. Sein Herz tat einen Sprung. Auf dem Zettel war, wie halb erwartet, eine Botschaft
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