Menschen und Maschinen
Groverton benützen.«
Ich beschloß, keines von beidem zu tun. Am besten war es, wenn man das Fahrzeug möglichst spät fand. So brachte ich es zu einer durchgehend geöffneten Werkstatt in Groverton. »Generalüberholung«, sagte ich zu dem Techniker. »Mit den Turbomotoren scheint etwas nicht zu stimmen.«
Er freute sich über den Auftrag. Wahrscheinlich freute er sich nicht mehr, wenn ihm die Polizei den Wagen wegnahm, ohne die Reparaturkosten zu bezahlen. Aber er sah nicht so aus, als müßte er deshalb verhungern. Außerdem fand ich, daß ich dem Dicken eine gewisse Leihgebühr für seinen Wagen schuldig war.
Ich hatte während meines Gesprächs mit dem Techniker absichtlich die Kapuze meiner Jacke aufgesetzt, damit er sich an mein Gesicht später nicht erinnern konnte. Als ich jedoch durch die Hauptstraße von Groverton ging, nahm ich sie ab. Ich wollte keine unnötige Aufmerksamkeit erwecken.
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Ein Uhr elf. Da ich wieder die Zeitgrenze passiert hatte, waren etwa eine Stunde und zehn Minuten seit meiner Flucht aus der Jagdhütte vergangen. Ich beschloß, eine Kleinigkeit zu essen.
Groverton war einer jener altmodischen Vororte, die in der letzten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts errichtet worden waren – poröse Straßen – und Bürgersteigdecken, Aluminiumblenden an den Häusern, glänzende Chrom-Lucit-Geschäftsgebäude. Wirklich romantisch.
Ich fand ein Automaten-Restaurant und ging hinein. Auf den Straßen waren nur wenige Leute, aber hier im Restaurant drängten sie sich. Bei den meisten handelte es sich um Teenager, die nach irgendwelchen Tanzvergnügen noch eine Stärkung zu sich nahmen. Eine Nische war leer. Ich nahm Platz und wählte Kaffee mit Schinken und Rührei.
Formlose kleine Punkte hüpften über den Tridi-Schirm in der Wand. Sie boten einen surrealistischen Tanz zu der Melodie »Anna von Texarkana«:
Kein Mensch, der sie kannte, vergaß, wieviel meine Anna aß.
Mein Portemonnaie war stets leer.
Doch sie kann auch kochen, und bereits seit Wochen träum’ ich von ihrem Dessert.
Oh, meine Anna, dein Algen-Manna ist köstlich wie Ambrosia.
Oh, meine Anna aus Texarkana, ich bin immer nur für dich da.
Ich trank Kaffee, während die dritte und vierte Strophe durch das Tridi-Gerät leierten, und ich überlegte mir, wie ich in die Stadt gelangen könnte, ohne die Ausweisplatte an meinem Arm vorzeigen zu müssen.
*
»Anna« wurde mitten in der fünften Strophe unterbrochen. Die Punkte veränderten ihre Farbe und flossen zusammen, und dann sahen wir Quinby-Lester, den Nachrichtensprecher.
»Guten Morgen, freie Bürger! Wir unterbrechen das Programm wegen einer Durchsage von besonderer Wichtigkeit.«
Er sah sehr ernst und sehr besorgt drein und, wie ich fand, auch ein wenig verwirrt. »Etwa gegen Mittenacht des gestrigen Tages gab es einen Zwischenfall an der Jagdhütte. Vier Polizeibeamte, die auf dem Wege zur Hütte waren, wurden von einem gewissen Edgar Gifford erschossen. Dieser Mann ist noch auf freiem Fuß und muß sich irgendwo in der Umgebung der Hütte aufhalten. Die Polizei führt eine Suchaktion im Umkreis von fünfhundert Meilen durch.
Haben Sie diesen Mann gesehen?«
Ein dreidimensionales Bild von Gifford erschien.
»Der Verbrecher ist bewaffnet und sehr gefährlich. Sollten Sie ihn erkennen, setzen Sie sich sofort mit MONmouth 6-666-666 in Verbindung. Wenn Ihre Information zur Ergreifung von Edgar Gifford führt, erhalten Sie eine Belohnung von zehntausend Dollar! Sehen Sie um sich! Vielleicht sitzt er neben Ihnen.«
Alle Besucher des Automaten-Restaurants musterten ihre Nachbarn. Ich schloß mich ihrem Beispiel an. Eigentlich hatte ich keine Angst, entdeckt zu werden. In einer Zeit, da jeder Mann einen Bart trug, war es schwer, Gesichtszüge zu erkennen. Ich hätte wetten mögen, daß die Polizei in der nächsten halben Stunde von tausend verschiedenen Anrufern bestürmt wurde, die alle der Meinung waren, Edgar Gifford gesehen zu haben.
Die Polizei wußte das. Sie wollte mich nur dazu verleiten, etwas Dummes anzustellen.
Das war wirklich nicht nötig. Ich war auch ohne ihre Hilfe in der Lage, etwas Dummes zu tun.
Ich dachte lange über meine Situation nach. Ich war etwa fünfzehn Meilen vom sicheren Hafen entfernt. Frage: Sollte ich um Hilfe bitten? Antwort: Nein. Denn ich wußte die Nummer nicht. Ich wußte nicht einmal, wer mich in Empfang nehmen würde. All das war aus meinem Gehirn gelöscht worden, als
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