Menschenfänger
Informationen, dachte Dr. März verärgert, hier bleibt ja wirklich nichts lange geheim!
»Da wir nicht wissen, ob er sich bei der Toten um die Mieterin der Wohnung handelt, und wir bisher auch noch nicht sicher sein können, dass der gefundene Brief von der Mieterin oder der Toten stammt, ist es noch viel zu früh, irgendwelche Rückschlüsse ziehen zu wollen!«, stellte er dann eisig klar und setzte eine unnahbare Miene auf.
»Und was geschieht nun in Sachen Windisch weiter? Sie unternehmen doch hoffentlich etwas – oder warten Sie darauf, dass Ihnen der Typ freiwillig wieder ins Netz geht?«
»Wir haben selbstverständlich Suchtrupps im Einsatz, in der letzten Nacht kreiste ein Hubschrauber über den Waldgebieten der Stadt und suchte die Gegend mit einer Wärmebildkamera ab. Die Bevölkerung wurde umfassend gewarnt, die Polizeikräfte am Bahnhof verstärkt – für den Fall, er sollte versuchen, sich in andere Städte oder gar nach Polen abzusetzen. Alle Bediensteten haben sein Foto auf dem Schreibtisch und die Kollegen in Berlin, Dresden, Leipzig und Prag wurden benachrichtigt.«
»Wenn ich das mal eben zusammenfassen darf: Ihnen ist ein gefährlicher Mörder und Sexualstraftäter entkommen, Sie suchen wild und planlos in allen Richtungen und haben nicht den Schimmer einer Ahnung, wohin er verschwunden sein könnte?«, hakte der Reporter noch einmal nach.
»Ehrlich gesagt, glauben wir eigentlich eher nicht, dass er sich noch im Stadtgebiet aufhält. Viel wahrscheinlicher ist, dass er sich in den Schutz der Anonymität der Großstadt abgesetzt hat. Er wird wohl nach Berlin gefahren, getrampt oder zu Fuß unterwegs sein«, versuchte Dr. März, die Gemüter zu beruhigen.
In Nachtigalls Tasche vibrierte das Handy. Möglichst diskret schlich er sich zur Tür hinaus.
»Albrecht! Ich bin in der Pressekonferenz!«, zischte er aufgebracht.
»Ja, ich weiß.«, gab Skorubski zurück, »Aber wir haben eine Leiche in der Stadtpromenade!«
12
Erschüttert sah Peter Nachtigall auf die junge Frau hinunter.
Der süßlich-metallische Geruch von Blut hing schwer in der Luft.
»Woran ist sie gestorben?«, fragte er den herbeigerufenen Arzt heiser.
»Schwer zu sagen«, lautete die ausweichende Antwort. »Bei den vielen Verletzungen werden Sie wohl die Obduktion abwarten müssen. Der Stich ins Herz könnte tödlich gewesen sein – aber vielleicht lebte sie zu dem Zeitpunkt, als er gesetzt wurde, auch schon gar nicht mehr.«
Bleich starrte der Hauptkommissar erst auf das Messer, das im Brustkorb steckte, dann auf das andere, welches unter dem Nabel hindurchgestochen worden war.
Lähmend stieg Entsetzen in ihm auf, als er sich auszumalen begann, auf welche Weise dem Opfer all diese schrecklichen Verletzungen beigebracht worden sein könnten. Er schüttelte sich.
»Johanna Merkowski, 22, lebte hier allein mit ihrem Hund. Sie arbeitete als Model in der Kosmetikbranche«, fasste Michael Wiener die spärlichen Informationen zusammen.
»Meinst du, das war dieser Ausbrecher?«, fragte Albrecht Skorubski und strich sich nervös über die Glatze.
»Das kann ich noch nicht sagen – wir werden uns seine Akte genauer ansehen. Windisch, Klaus Windisch.«
Nachtigall drehte sich wieder zum Bett um.
»Er hat ihr die Haare abrasiert – am Kopf und im Gesicht, Wimpern, Brauen, das gesamte Schamhaar, Arme und Beine sowie der Rumpf wurden glattrasiert. Wimpern und Brauen möglicherweise ausgezupft«, erklärte der Arzt, der seine Instrumente in einen Koffer packte.
»Und dieser Hund …«, murmelte Nachtigall, dann wandte er sich an Michael Wiener.
»Michael, frag doch mal bei den Nachbarn nach. Vielleicht hat ja jemand was beobachtet oder gehört. Und versuch auch den Pförtner zu finden. Der müsste ja eigentlich etwas gesehen haben.«
Der junge Mann machte sich sofort an die Arbeit.
»Wer hat sie gefunden?«
»Anna Hempel. Sie kommt jeden Tag hier vorbei, räumt auf, lüftet, putzt, füttert den Hund und erledigt die Einkäufe. Frau Merkowski hinterließ ihr in der Regel einen Zettel, auf dem sie ihre Wünsche notiert hatte. Sie sitzt nebenan«, erklärte einer der Kollegen in weißem Schutzanzug.
»Wie ist er reingekommen?«, wollte Nachtigall von Paul Feddersen, einem Mitarbeiter der Spurensicherung, wissen.
»Tja – die Tür ist unbeschädigt. Sie muss ihm geöffnet haben. In der Küche stehen noch unausgepackte Einkaufstüten. Wahrscheinlich war sie gerade nach Hause gekommen.«
»Dann hat sie ihn gekannt?«,
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