Menschenfänger
ohnehin immer zu Hause. Und nun ist sie nicht da. Seltsam, oder? Gerade bei Franka!«
Michael Wiener war nicht beunruhigt. Aber er wusste, dass seine Freundin dazu neigte, sich ständig um andere Menschen zu sorgen. Er wählte seine Worte sorgfältig.
»Da musst du dir nicht unbedingt Sorgen machen, Marnie. Vielleicht eine neue Beziehung, eine neue Liebe – da kommt es vor, dass man die Verabredung mit der Freundin vergisst. Zumal das doch eher eine lockere Abmachung war.«
Doch Marnie war nicht bereit, sich so einfach abschieben zu lassen. Sie machte sich ernsthaft Sorgen.
»Du weißt selbst, dass Franka nicht der Typ ist, der die Freundin vergisst. Sie hätte angerufen«, beharrte sie deshalb.
Wollte er jetzt keine echte Beziehungskrise riskieren, musste er handeln, erkannte der junge Kripobeamte.
»Sag mal, wo bist du denn jetzt eigentlich?«
»Ich stehe vor Frankas Haustür. In ihrer Wohnung brennt Licht.«
Flüchtig streiften seine Gedanken Klaus Windisch, und er spürte, wie sich auch in ihm Unruhe auszubreiten begann.
»Bleib da stehen. Ich hole dich in zehn Minuten ab«, versprach er.
Und geh nicht mit fremden Männern mit, hätte er gerne noch hinzugefügt, was ihm aber in Anbetracht der Mordserie irgendwie geschmacklos vorkam.
Wie versprochen stand er zehn Minuten später neben Marnie, die wie hypnotisiert auf ein beleuchtetes Fenster in der Fassade starrte.
»Das ist Frankas Wohnzimmer. Ich habe bestimmt zehnmal geklingelt – aber sie reagiert nicht.« Wiener registrierte den hysterischen Unterton in ihrer Stimme.
Er sah zu dem Fenster hinauf und stellte sich vor, wie sehr es ihn nerven würde, in bestimmten Situationen durch ständiges Läuten gestört zu werden. Franka wäre womöglich morgen stinksauer auf Marnie.
Laut sagte er: »Vielleicht hat sie ja Besuch. Ihr Freund hat nicht zufällig gerade Urlaub? Es gibt schließlich Momente, da möchte man selbst durch die beste Freundin nicht gestört werden«, und zwinkerte Marnie bedeutungsvoll zu.
Aber ihre Unruhe hatte sich schon auf ihn übertragen. Franka hätte ihr zumindest eine SMS geschickt, da hatte Marnie recht.
»Vorschlag: Wir klingeln woanders, gehen zu ihrer Wohnung, klingeln direkt dort. Wenn sie nicht öffnet, hinterlassen wir eine Nachricht. Sie wird sich dann sicher völlig zerknirscht morgen bei dir melden. Okay? Und dann fahren wir nach Hause – du hast doch auch noch nichts gegessen, oder?«
32
»Pssst! Hast du das auch gehört?«
Juliane Weinert setzte sich mit einem Ruck kerzen-gerade auf und lauschte ins Dunkel.
Doch bis auf die Geräusche, die entstanden, wenn der Wind in die mächtigen Kronen der Bäume ringsum fuhr, an den noch verbliebenen Blättern zerrte und dem gelegentlichen Stöhnen der alten Stämme, war nichts mehr zu hören.
»Komm Julchen – bild dir nichts ein.« David wollte die Unterbrechung so kurz wie möglich halten.
Juliane zog sich die Decke bis unters Kinn und ließ sich dann kichernd wieder aufs Kissen fallen. Sofort kümmerten sich Davids Hände wieder zärtlich um sie und bemühten sich, ihre Besorgnis wegzustreicheln.
»Stell dir vor, mein Vater tauchte hier plötzlich auf! Ich glaube, der würde völlig ausrasten!«
Davids Lippen verschlossen ihr den Mund. Als sie dann den Hals entlang abwärts wanderten, hörte sie ihn murmeln: »Er würde mich erschlagen! Du weißt genau, was er von mir hält. Aber es ist doch alles prima. Er glaubt, du schläfst heute bei Anke, und unter der Woche wird er auch den Schlüssel für die Datsche nicht vermissen. Er kommt doch eh nur am Wochenende hier raus.«
»Was, wenn er bei Anke anruft?« Julianes Bedenken waren so schnell nicht auszuräumen.
»Das hat er noch nie getan. Entspann dich!«
Zufrieden registrierte David, wie sich Julianes Körper unter seinen Streicheleinheiten sanft zu bewegen begann. Seine Lippen erkundeten nun den Bereich unterhalb des Halses. Ein paar Gärten entfernt bellte ein nervöser Hund.
Juliane atmete schneller. David legte sich vorsichtig auf das Mädchen und begann, einen Gleichklang ihrer Körperbewegungen herzustellen. Julianes Augen waren geschlossen, ihr Mund leicht geöffnet. Wieder huschten seine Lippen über ihren überstreckten Hals, Juliane stöhnte.
Fünf Minuten später lagen sie verschwitzt und glücklich nebeneinander. David hielt sie fest im Arm, flüsterte ihr Liebkosungen ins Ohr. Beängstigende Gedanken beschäftigten ihn, die sich nicht abschalten ließen. Würde er Juliane heiraten? David
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