Menschenhafen
vergessen hatten. Er hatte sich für einiges zu rechtfertigen, aber als sie sich zu ihm umdrehten, war er nicht mehr da.
Weit weg war er allerdings nicht. Als wäre nichts passiert, war er aufgestanden, hatte seine Säge genommen und sich auf den Weg zu einem der Nachbargrundstücke gemacht, wo er Kurs auf zwei kräftige Kiefern mit einer Schaukel dazwischen nahm.
Diesmal wurden keine Worte verloren. Mats, Göran und Johan holten ihn ein, entwanden ihm die Säge und packten ihn, ehe er noch mehr Unheil anrichten konnte. Karl-Erik wehrte sich, aber egal, ob er nun verrückt war oder nicht, sie waren drei gegen einen und schafften es, ihn zu bändigen.
Während Mats und Göran seine Arme festhielten, stellte sich Johan vor ihn und versuchte ihm in die Augen zu sehen. Es ging nicht. Die Augen waren zwar da und sahen in seine, ein Kontakt ließ sich jedoch nicht herstellen.
»Karl-Erik?«, fragte Johan trotzdem. »Was ist denn los mit dir? Was tust du denn da?«
Während des gesamten schrecklichen Duells hatte Karl-Erik keinen Mucks von sich gegeben, und sie glaubten auch nicht, dass er jetzt antworten würde. Trotzdem mussten sie natürlich versuchen, mit ihm zu reden, als wäre er ein vernünftiger Mensch, der einen Grund für sein Handeln hatte. Und sie bekamen eine Antwort.
Tastend, als wäre er nicht an seinen Mund gewöhnt, und mit einer Stimme, die wie Karl-Erik klang und doch nicht wie er klang, sagte er: »Diese Häuser. Sollen nicht hier sein.«
»Wie meinst du das?«, fragte Johan. »Das sind doch nicht unsere Häuser. Das haben wir nicht zu entscheiden.«
Der Einwand schien Karl-Erik nicht zu überzeugen. Mit starren, grimassierenden Lippen sagte er: »Die Häuser da müssen weg.«
Er wand sich in Görans und Mats’ Griff, aber sie schafften es, ihn festzuhalten. Elof Lundberg kam hinzu, warf einen Blick auf Karl-Erik und fragte: »Was ist mit ihm?«
»Er ist total irre«, antwortete Johan. »Hilf du den anderen, dann hole ich Anna-Greta. Auf sie hört er.«
So kam es, dass Johan Lundberg sich auf sein Lastenmoped schwang und zum Dorf fuhr, um Anna-Gretas Beistand zu bekommen, woraufhin er wie ein Waisenkind auf dem Schiffsanleger stehen und sie und Simon in einer Wolke aus Möwen zum Festland verschwinden sehen musste.
Ratlos setzte er sich wieder auf sein Moped und fuhr nach Kattudden zurück, um zu tun, was man tun konnte.
Dieser Zauberer , dachte er beim Fahren, auf den könnte man wirklich gut verzichten.
In Norrtälje
Um halb vier saßen Simon und Anna-Greta in einer Pizzeria in Norrtälje. Beide hatten eine Pizza Capricciosa vor sich, die sie in kleine, leicht zu kauende Bissen schnitten und mit lauwarmer Fanta hinunterspülten. Simon hatte das Ehefähigkeitszeugnis in der Brusttasche seines Jacketts und zwei glatte Goldringe in der Klappentasche. Anna-Greta hatte von einem Apparat im Einwohnermeldeamt telefonieren dürfen, Geir angerufen, den Pfarrer von Nåten, und die Kirche für den Sonntag zwei Tage später, nach dem Gottesdienst, gebucht. Sie waren bereit.
Es lag etwas … Jugendliches in dieser Schnelligkeit, mit der sie gehandelt hatten. Möglicherweise hatte das gleiche Gefühl von Verjüngung die beiden auch dazu verleitet, die schnell abgehakten Vorbereitungen mit einer Pizza zu feiern. Keiner von ihnen hatte eine Pizza gegessen, seit diese etwas Neues gewesen war, und sie entschieden sich nur deshalb für eine Capricciosa, weil ihnen der Name vage bekannt vorkam.
Als Anna-Greta ihre Pizza halb aufgegessen hatte, schob sie den Teller von sich und sagte: »Am Anfang hat es gut geschmeckt, aber sie ist einfach zu mächtig.«
Simon ging es genauso. Sein Magen fühlte sich an, als hätte er einen halben Liter Mehl mit einem Teelöffel gegessen. Es blubberte und sein Bauch war prall gefüllt, und er hörte auf, solange er noch einen guten Geschmack im Mund hatte.
Anna-Greta schaute aus dem Fenster, und Simon stocherte in den Resten dessen, was höchstwahrscheinlich die letzte Pizza war, die sie in ihrem Leben gegessen hatten. Wenn man sie ohne Hunger betrachtete, sah sie nicht einmal aus wie menschliche Nahrung.
»Simon«, sagte Anna-Greta. »Du musst vorsichtig sein.«
Simon, der noch über die Tauglichkeit von Pizzen als Nahrungsmittel grübelte, erwiderte: »Du meinst, mit dem, was ich esse?«
Anna-Greta schüttelte den Kopf. »Wenn ich gewusst hätte, was ihr da heute Morgen gemacht habt, hätte ich euch nicht hinausfahren lassen.«
»Müssen wir darüber
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