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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Beispiel?«, fragte Watane kleinlaut zurück.
    »Na, zum Beispiel, wie du mich hierhergeschafft hast, ohne dass ich davon auch nur irgendetwas mitbekommen habe.«
    »Du hast schon was mitbekommen, aber vielleicht wieder vergessen, weil du die ganze Zeit sehr schläfrig gewesen bist. Das lag bestimmt an dem Schlafmittel, das du genommen hattest.«
    In diesem Augenblick wurde Shinji Obo von einem Hustenanfall durchgeschüttelt. Sein schmaler Körper blähte sich auf, danach erklang ein sekundenlanges, blechernes Stakkato.
    »Aber du willst mir nicht erzählen, dass du mich auf deinen Schultern hierhergebracht hast, oder?«
    Über das Gesicht der jungen Frau huschte zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder die Andeutung eines Lächelns, bevor sie antwortete.
    »Nein, das nun gerade nicht. Ich habe dich angezogen, aus dem Bett gehoben und langsam die Treppe hinunter gebracht. Dann sind wir zusammen in ein Taxi gestiegen, wo du auf der Fahrt laut geschnarcht hast. Von draußen bis hier war es kein großes Problem mehr, weil die Wohnung ebenerdig liegt.«
    »Wann war das?«
    »Irgendwann in der Nacht. Ich glaube, es war um halb drei.«
    Wieder wurde der Körper des Mannes von einem Hustenanfall erfasst. Es dauerte noch länger als beim Mal zuvor, bis er wieder zur Ruhe kam. Als er das Papiertaschentuch, das er vor den Mund gedrückt hatte, zur Seite legte, wurde rot durchsetzter Speichel sichtbar. Watane riss erschreckt die Augen auf und presste die linke Hand vor den Mund.
    »Mach dir keine Sorgen, Kleines«, versuchte Obo matt, sie zu beruhigen. »Das geht vorbei. Wirst sehen, nächste Woche bin ich wieder voll einsatzfähig.«
    »Aber das war Blut. Du blutest aus dem Mund, Shinji.«
    »Ja«, gestand er tonlos ein, »aber vorgestern war es viel schlimmer. Da hatte ich den ganzen Tag Blut im Mund, nicht nur beim Husten. Also, du siehst, es wird schon besser.«
    Watane hätte gerne etwas zu dieser wilden These gesagt, doch ein kurzer Blick auf ihre Armbanduhr ließ die junge Frau aufschrecken.
    »Oh je, es ist ja schon nach halb acht«, stöhnte sie auf.
    »Ja«, bestätigte der Mann im Bett gähnend, »du müsstest schon längst unterwegs sein.«
    »Ich fange heute eine Stunde später an«, erklärte sie ihm. »Warum denn das?«
    »Wir haben die Elektriker im Haus, deshalb.«
    Sie beugte sich hinunter und küsste ihn flüchtig auf die Stirn.
    »Mach’s gut, Shinji«, rief sie im Gehen. »Und untersteh dich, aufzustehen. Verstanden?«
    »Ja, klar. Ich bleibe im Bett, versprochen.«
    Ich kann ohnehin keine zwei Minuten auf den Beinen bleiben, bevor ich völlig entkräftet umfalle, dachte er, behielt dieses Wissen jedoch für sich. Ein paar Sekunden später hörte er, wie Watane im Hausflur verschwand, ließ seinen Kopf auf das fremde Kissen zurückfallen und war kurz darauf wieder eingeschlafen.
     
    *
     
    »Ich kann heute leider nicht zur Arbeit kommen«, stöhnte Watane Origawa in den eiskalten Hörer des öffentlichen Telefons.
    »Das ist gar nicht gut«, gab die strenge Stimme aus dem kleinen Lautsprecher an ihrem Ohr zurück. »Was ist denn los mit dir?«
    »Ich bin gestern auf dem Heimweg mit dem Fahrrad hingefallen und habe mir das Knie aufgeschlagen. Es ist über Nacht ganz dick geworden und hat angefangen zu eitern. Ich kann nicht mal auftreten.«
    »Und wann gedenkst du, hier wieder aufzutauchen?«
    »Ich werde sofort, sobald es mir besser geht, wieder zur Arbeit kommen. Aber es hat doch keinen Sinn, wenn ich weder stehen noch gehen kann.«
    »Hör auf, mir die Ohren vollzuheulen. Ich will, dass du an jedem Morgen hier anrufst, wenn du nicht zur Arbeit erscheinst. Ist das klar?«
    »Ja, natürlich. Ich werde mich …«
    Es knackte in der Leitung, womit klar war, dass ihr Chef aufgelegt und sie somit abgewürgt hatte.
    »Arschloch«, murmelte sie, nachdem der Hörer wieder in der Arretierung hing.
    Eine Viertelstunde später saß sie an einem total versifften Terminal eines eiskalten Internetcafés mitten in der Stadt und suchte nach der Adresse eines Geschäftes. Sie suchte nach den Daten des Mannes, den sie am Abend zuvor auf dem Hof hinter dem ›Tokyo Temple‹ gehört und gesehen hatte.
     
    Eigentlich hatte nichts im Leben von Watane Origawa darauf hingedeutet, dass die im Juli 1985 in Yokohama geborene Frau einmal als Wäschereihelferin in Europa, oder besser in Kassel, würde ihr Geld verdienen müssen. Ihr Vater, ein angesehener Konzertpianist, hatte darauf geachtet, dass seine einzige Tochter nur an

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