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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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»Natürlich.«
    Wie auf Kommando wandten alle ihre Köpfe Richtung Tatort.
    »Scheint wirklich ernst zu sein«, sagte er. Freund meinte leises
Schaudern in seiner Stimme zu hören.
    An der Absperrung blieb ein neugieriger Hundebesitzer stehen. Sein
Vierbeiner versteckte sich hinter den Beinen des Herrchens, kniff den Schwanz
ein und winselte.
    »Ruhig, Einstein. Was ist denn da?«
    Die Frage war vielmehr: Warum gab man seinem Hund einen solchen
Namen?
    Die anderen folgten Freund und Wagner unter dem hochgehaltenen
Absperrband hindurch. Seit es um die Gruppenleitung ging, versuchte Wagner
immer vorauszugehen. Freund ließ ihm das Vergnügen. Sofort kam ihnen ein
Uniformierter entgegen. Als er sie erkannte, winkte er sie weiter.
    In dem Menschenschwarm war das Bildmotiv noch nicht auszumachen.
Drei Figuren in weißen Overalls standen und knieten vor einem aufrechten
Körper. Vier warteten dahinter. Freund zählte sieben weitere Spurentechniker,
die das Gras rundherum absuchten. Selten hatte er so viele Techniker an einem
Tatort erlebt.
    Mindestens zwei Dutzend Uniformierte wachten mit einigem Abstand im
Kreis um die Szene und wandten ihr den Rücken zu, um die Umgebung aufmerksam zu
beobachten. Vier Männer waren damit beschäftigt, eine Art Plane hochzuziehen
und zwischen Stangen aufzuspannen, die den Tatort vor ungebetenen Blicken
schützen sollte. Auf der anderen Seite waren die Absperrbänder noch einmal etwa
achtzig Meter weit gespannt. Sie blockierten den Hauptweg, auf dem man die
Jesuitenwiese üblicherweise überquerte. Entlang der ganzen Sperrgrenze
patrouillierten Polizisten. Nun entdeckte Freund auch die ersten Journalisten.
Mit großen Objektiven versuchten sie ihr Motiv trotz der Abschirmung einzufangen.
    Hinter Freund heulten Sirenen auf. Ein Mannschaftswagen traf ein und
spuckte weitere Polizisten aus. Er spürte die Spannung bei jedem der
Teammitglieder. Schweigend strebten sie dem Mittelpunkt des Geschehens zu. Zu
ihrer Rechten standen ein paar alte Bäume. Um deren Stämme war das rotweiße
Band gewickelt. Die Sonne stand noch so tief, dass die Kronen ihre Schatten
weit entfernt warfen. Auch dort sammelten sich bereits Schaulustige und
Kameraträger. Je näher sie kamen, desto intensiver wurde der Geruch. Zuerst
nahm Freund eine Note Erbrochenes wahr. Dann mischte sich ein weiterer Ton
darunter. Freund konnte es nicht gleich einordnen. Etwas Tierisches. Natürlich.
    Der strenge Duft erinnerte an Besuche im Streichelzoo. Hühner
verschiedener Buntheit, grotesk überzüchtete Tauben und vor allem Schafe und
Ziegen. Der intensive Mief dieser Wesen mit den dürren Gliedern, dicken Bäuchen
und frechen Glotzaugen war typisch.
    Es böckelte. Hätte ihm gleich einfallen können. Die MMS -Bilder hatten es ja schon gezeigt.
    Harry Feidel kam ihnen mit ausgestreckter Hand entgegen.
    »So etwas habe ich noch nicht gesehen.«
    »Keiner von uns«, bemerkte Spazier.
    Ich will es gar nicht sehen, dachte Freund. Er erschrak. Du wirst es
merken, wenn du zu alt wirst für diesen Job, hatte ihn ein erfahrener Kollege
vor vielen Jahren gewarnt. Wenn du die Hoffnung verlierst, dass diese Welt doch
noch einmal ein besserer Ort werden kann. Sobald du dir eingestehst, dass nach
dem schlimmsten Mord, den du jemals gesehen hast, ein noch grauenvollerer folgen
wird. Ich verstehe diese Welt nicht mehr, dachte Freund, mit meinen
fünfundvierzig Jahren bin ich zu langsam geworden. Oder zu müde.
    »Hast du auch jemanden auf den Rodelhügel geschickt?«, wollte Freund
von Feidel wissen. »Von dort oben kann man immer noch herlinsen.«
    »Stehen zwei oben. Mir nach im Gänsemarsch«, forderte er sie auf.
    Jedes Mal ließ er diesen Spruch los. Dabei lernte jeder Kriminalist
in der ersten Stunde, dass man den Tatort nicht wie eine Büffelherde
durchpflügt.
    Feidel führte sie durch den Kordon der wachenden Uniformen. Er
umrundete den Körper, an dem noch immer die Spurensucher hingen wie Bienen an
ihrem Stock. Sieben Meter vor der Leiche stand bereits der Sichtschutz. In der
Morgensonne leuchtete das weiße Tuch, als wolle es sich gleich selbst
entzünden. Der Spielplatz war nicht mehr zu sehen. Die Segelspanner arbeiteten
sich im Uhrzeigersinn vor. Der animalische Gestank war jetzt überwältigend.
    Einen verrückten Gedanken wurde Freund nicht los. Er war ihm schon
beim ersten Bild in den Sinn gekommen. Was, wenn es sich nicht um eine
grauenvolle Gewalttat handelte? Wenn das Wesen echt wäre? Wenn sich uralte
Mythen als Realität

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