Menschenteufel
Jugendlichen für Aufsehen. Aus Österreich sind derartige
Fälle nicht bekannt. Im Prinzip kann man Verbrechen, die auf Satanismus
zurückgeführt werden, in drei Kategorien einteilen.«
Er warf einen Blick in seine Aufzeichnungen. »Die erste ist
Jugendsatanismus. Da gehen Kinderleins auf den Friedhof, sprechen irgendwelche
Sprüchlein und beschmieren oder schänden Gräber. Klingt grauslich, ist im
Allgemeinen aber eigentlich harmlos. Natürlich kippen die einen oder anderen
auch woandershin ab. Dafür ist der Satanismus meist aber nicht der Grund,
sondern bloß der erste Schritt. Bei vielen kommt es auch zu einer
rechtsradikalen und neonazistischen Entwicklung. Zwischen manchen Gruppen aus
den jeweiligen Milieus gibt es auch Verbindungen oder Kooperationen. So treten
beispielsweise gelegentlich Metalrockbands mit satanistischen Songs auf
Neonazitreffen auf. Zum Zweiten gibt es erwachsene Satanisten, die eine Art
Geheimlogenschaft pflegen. Die gefallen sich in mehr oder weniger appetitlichen
Ritualen. Immer wieder kommt es zu Anzeigen, vor allem von Frauen, die
behaupten, bei solchen Gelegenheiten sexuell missbraucht worden zu sein, oft
schon als Kinder. Sie wollen auch bei anderen brutalen Ritualen und sogar
Morden teilgenommen haben oder wenigstens Zeuginnen geworden sein. Beweise
dafür wurden aber bis heute nie wirklich gefunden. Oft sind diese Personen
psychisch gestört. Die Schuld dafür geben sie dem angeblichen kindlichen
Missbrauch. Die Psychologen meinen allerdings, dass das in Wahrheit
eingebildete Erinnerungen sind. Wie gesagt, handfeste Beweise gibt es nicht.
Und schließlich kennen wir die Kategorie von Verbrechern, die den Satanismus
schlicht als Ausrede verwenden, nicht zuletzt in der Hoffnung, für
unzurechnungsfähig erklärt zu werden.«
Er schob seine Unterlagen zusammen. »Wer mehr wissen will, findet es
auf dem Server.« Dann sah er einmal in die Runde. »Wir können natürlich
gegenwärtig nicht ausschließen, dass satanistische Rituale hinter dem Mord
stecken. Die Personifizierung scheint ja deutlich. Andererseits gehört die
Umformung eines Menschen zum Teufel sicher nicht zu klassischen satanistischen
Ritualen. Entweder hätte hier dann jemand etwas massiv missverstanden. Oder es
handelt sich um einen Racheakt an einem Satanisten. Ob Wuster ein solcher war,
wissen wir noch nicht. Auf jeden Fall haben wir Kontakt zu den wenigen uns
bekannten Personen der Szene aufgenommen. Sie sagen alle, dass sie nichts damit
zu tun haben. Sie bezweifeln auch, dass die Tat von einem Satanisten verübt
wurde, weil es eben nicht ins Ritualschema passt. Aber sie werden sich umhören.
Und natürlich werden sie von uns überprüft.«
»Gut. Nächstes Thema: die Telefonlisten. Sind sie endlich da?«
»Nein«, antwortete Lukas Spazier. »Aber wir sind dahinter.
Interessant in dem Zusammenhang ist, dass ja weder wir noch die Spurensicherung
in Wusters Haus ein Mobiltelefon gefunden haben. In seinen Unterlagen gibt es
allerdings gleich zwei Handyverträge. Beide Geräte sind jedoch seit seinem
Verschwinden abgeschaltet und können daher nicht geortet werden.«
»Schade. Macht weiter Druck wegen der
Verbindungsrückverfolgungsdaten. Habt ihr die Vermisstenanzeigen schon
gecheckt?«
Selbst Alfons Wagner hatte mittlerweile Jackett und Krawatte abgelegt.
»Es gibt ein paar, die in Frage kommen. Eine ist besonders auffällig.«
Mit einer kleinen Fernsteuerung aktivierte er den Videobeamer, der
von der Decke hing und drahtlos mit den Computern verbunden war. An der
Projektionswand erschien das blasse Bild einer Frau um die sechzig. Jemand
dimmte das Licht, damit sie die Projektion besser sehen konnten.
Der schmale Kopf wurde von langen, dunkelbraunen Locken eingerahmt.
Von den äußeren Augenwinkeln über die Wangen und parallel dazu von der kleinen
Nase zum schmalen Mund liefen scharfe Falten. Das markante Kinn ging in einen
faltigen Kehllappen über.
Der Blick der Frau wirkte kalt und abweisend. Aber was bedeutete das
schon? Freund musste nur an sein Passfoto denken.
»Hermine Rother«, sagte Wagner. »Alter dreiundsechzig Jahre, Haare
braun, Augen grün, Größe ein Meter zweiundsiebzig, Beruf Geschäftsfrau, Adresse
im neunzehnten Bezirk. Ich habe mich bei der Technik erkundigt. Die Haare bei
Wuster waren auch braun. Auf Frau Rother kamen wir aber noch aus einem ganz
anderen Grund: Die Anzeige ist vor zwei Tagen aufgegeben worden.«
Dramatische Pause.
»Wir erinnern uns: Das war derselbe Tag, an dem
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